Großteilebearbeitung

Wahre Größe kommt von innen

Die Camozzi Machine Tools Division, italienischer Spezialist für Großteilebearbeitung, meldet sich nachhaltig in Deutschland zurück. Von der Niederlassung in Albershausen aus sollen die beiden Marken Innse-Berardi und Ingersoll ihre renommierten Stärken ausspielen.
22. Februar 2021
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1 Schwere vertikale Portalmaschine ›Atlas‹ von Innse-Berardi in Gantry-Bauweise: auch leistungsfähige Drehtische werden kundenspezifisch integriert © Innse-Berardi
Matthias Fleischer ist neuer Geschäftsführer der Innse Berardi GmbH mit Sitz in Albershausen (Baden-Württemberg). Er freut sich, die Erfahrung zweier Unternehmen, die seit langem am Markt tätig sind, mit ihren neuen Maschinen mit Spitzentechnologie in den deutschen Markt einzubringen.
Fleischer sagt: »Es ist sehr wichtig, einen strategisch denkenden Gesellschafter zu haben, der den Blick nicht auf das nächste Quartalsergebnis richtet, sondern eine langfristige Strategie verfolgt. Genau das haben wir mit Camozzi.« Die Camozzi- Machine Tools Division ist Teil der Camozzi-Gruppe und wird von zwei Unternehmen gebildet, die seit langem auf dem Markt aktiv sind: Innse hat seit 1887 und Berardi seit 1926 Erfahrung im Werkzeugmaschinenbau, die Geschichte von Ingersoll begann im Jahr 1892.

Tief verwurzelt in der Zerspanung: die Camozzi Machine Tools Division

Die Technologien des Camozzi-Konzerns spielen ihre Stärken in den Branchen Luft- und Raumfahrt, Schwermaschinenbau, Energiewesen, Schifffahrt, Kernenergie, Bergbau, Eisenbahnwesen, allgemeiner Maschinenbau und Verteidigungsindustrie aus. Innse- Berardi vereint dabei die Kompetenzen für die Metallzerspanung in Eisen- und Hartmetallanwendungen, Ingersoll hingegen hat sich zum Global Player im Bereich Verbundwerkstoffe, Additive Fertigung und Werkzeugmaschinen für die Luft- und Raumfahrtindustrie aufgeschwungen (siehe Kasten). Beide sehen ihre besondere Stärke in kundenspezifischen, schlüsselfertigen Lösungen. Das eigene Know-how und das der Kunden werden dabei zu ›Team-Key‹- Lösungen kombiniert, wie man bei Camozzi sagt.
2 Geschäftsführer Matthias Fleischer: Ich bin angetreten, um die beiden Marken Innse-Berardi und Ingersoll im Groß-Werkzeugmaschinenbau zu einer Einheit zusammenzuführen und nachhaltig auf den Weltmärkten zu positionieren© Innse-Berardi
»Und dafür braucht man die unmittelbare Kundennähe«, wie Matthias Fleischer aus Erfahrung weiß. »Wir bündeln unsere internen Ressourcen, um uns damit noch gezielter auf die Bedürfnisse unserer Kunden zu konzentrieren und ergänzen dies um das gesamte Spektrum der Anwendungsunterstützung. Das beginnt in der Projektphase, in der die bestmögliche Fertigungslösung entwickelt wird, und reicht bis zur erfolgreich abgeschlossenen Anlaufphase im Werk der Kunden. Unsere Anwendungstechniker begleiten die Kunden während des gesamten Prozesses.«

Enormes Portfolio im Großteilesegment

Die Produktpalette von Innse-Berardi besteht aus der Baureihe ›Aries Hydro‹ mit schweren Horizontal-Bohr- und Fräszentren und einem Spindeldurchmesser von 160 bis 320 mm, die allesamt mit hydrostatischen Führungen ausgestattet sind. »Hinzu kommt eine langjährige Erfahrung beim Bau von Vertikal-Bearbeitungszentren in Portalbauweise«, bemerkt Matthias Fleischer. Die gesamte Produktpalette umfasst Durchgangsbreiten von 2 bis 10 m in der Standardausführung und noch größere im Fall von Sonderprojekten. Die Leistung reicht von 45 bis 130 kW, mit Drehmomenten bis 9000 Nm. Die bearbeiteten Werkstücke bewegen sich zwischen 10 und 500 t Gewicht.
Neben den schweren Portalmaschinen mit hydrostatischen Führungen bietet Innse-Berardi auch die Hochgeschwindigkeits-Fräszentren ›Atlas Vision‹ mit linearen Rollenführungen an. Stets bestehen die Baureihen aus den Kernelementen Querbalken, Ram und Zubehör. Der modulare Aufbau bietet drei verschiedene Basis-Konfigurationen für die flexible Ausgestaltung:
  • P: Tisch-Bauweise mit feststehendem Portal,
  • G: Gantry-Bauweise mit unten liegenden Führungen sowie
  • GU: Gantry-Bauweise mit oben liegenden Führungen
Die Maschinen sind alternativ mit festem oder höhenverstellbarem Querbalken erhältlich. Matthias Fleischer: »Werkzeugmaschinen dieser Dimension sind stets auf die besonderen Anforderungen der Kunden zugeschnitten. Unser modulares Baukastenprinzip deckt dabei alle Zerspanungstechnologien ab, egal ob Fräsen, Bohren, Ausbohren, 5-Achs-Fräsen, vertikales Drehen oder Schleifen.«
3 Hochgeschwindigkeits-Groß-Fräszentrum Atlas Vision P von Innse-Berardi: mit fahrbarem Tisch und feststehendem Portal© Innse-Berardi
Kein Trend, sei er technologisch getrieben oder initiiert von Kunden mit besonderen Anforderungen, gehe am erfahrenen Werkzeugmaschinenhersteller vorbei. Fleischer: »Ich bin seit über 30 Jahren im Großmaschinensegment tätig und habe mich, zu Beginn als Junior-Vertriebsingenieur und auch später als Direktor, immer mit großen und schweren Werkstücken beschäftigt. Seit Anfang 2019 bin ich bei Camozzi. Allen voran war Innse bereits in den 1970er- und 80er-Jahren auf einem technologischen Stand, der zur damaligen Zeit international unerreicht war. So wurden bereits Vertikal-Drehfräszentren produziert, die erst 15 Jahre später beim Wettbewerb Einzug hielten. Die technischen Eigenschaften der aktuellen Baureihen, insbesondere bei den Portalmaschinen, sind meines Erachtens heute allen anderen Herstellern überlegen.«
Hersteller
Mit den Marken Innse-Berardi und Ingersoll ist die Camozzi Machine Tools Division als Hersteller von Groß-Werkzeugmaschinen mit Werken im italienischen Brescia und im US-amerikanischen Rockford, Illinois, auf zwei Kontinenten mit Produktionsstätten präsent – eine Alleinstellung in diesem Segment. Weltweit beschäftigt die Division rund 350 Mitarbeiter, inklusive der Verkaufs- und Servicegesellschaften in Deutschland, Russland und China. Die Anwenderindustrien umfassen die Luft- und Raumfahrt, die Energie- und Schwerindustrie sowie den allgemeinen- und Werkzeugmaschinenbau. Es werden Eisen- und Stahlwerkstoffe, Titan und Aluminium und auch Verbundwerkstoffe bearbeitet.
Die 1964 gegründete Camozzi Group ist ein italienischer multinationaler Marktführer für innovative Technologien zur Herstellung von Komponenten und Systemen für die industrielle Automatisierung sowie für integrierte Systeme für Industrie 4.0. Sie ist auch in einer Vielzahl anderer Bereiche führend: von schweren Spezialwerkzeugmaschinen für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt und im Energiesektor bis hin zu fortschrittlichem Engineering für Textilmaschinen, Rohstoffverarbeitung und insbesondere für innovative additive Fertigungsmaterialien, Verbundwerkstoffe, Titan und Aluminium. Dank kontinuierlicher Investitionen in fortschrittliche Forschung hält die Gruppe mit den neuesten Technologien Schritt – Mechatronik, IIoT, 3D-Druck und Lösungen, die künstliche Intelligenz einbeziehen. Die Camozzi Group ist in 75 Ländern weltweit vertreten und hat 40 Niederlassungen, 2930 Mitarbeiter, 5 Divisionen und 23 Produktionsstätten.
Innse Berardi GmbH 73095 Albershausen Tel. +49 7161 91010-80 www.innse-berardi.com
So bewege man sich, nach einer gewissen Schwächephase, heute wieder auf einem absoluten Top-Niveau. Zumal man mit den Entwicklungen Schritt halten kann. Fleischer: »Neben immer anspruchsvolleren, schwer zerspanbaren Werkstoffen ist der Trend zur Komplettbearbeitung nach wie vor das Hauptthema. Drehtische und die wechselbaren Spindelköpfe werden alle inhouse produziert, dadurch beherrschen wir die gesamte Prozesskette. Bei diesen schweren Großmaschinen sind mechanische Getriebespindeln nach wie vor Stand der Technik, aber fallweise stehen zusätzlich Bearbeitungen an, die höchstmögliche Drehzahlen erfordern. In diesen Fällen integrieren wir zusätzlich HF-Spindeln in die Maschinen.«
4 Horizontal-Variante ›Aries‹: Die Baureihe gibt es als Hochleistungsmaschinen mit hohem Drehmoment für die Schwerzerspanung oder als Hochgeschwindigkeitsmaschinen für Flugzeugkomponenten aus Verbundwerkstoffen© Innse-Berardi

Must haves: Services bis hin zu Digitalisierungslösungen

Mittlerweile sind weit über 10 000 Maschinen weltweit installiert. Das Kundendienstteam der Camozzi Werkzeugmaschinen Division verfügt folglich über genügend Kompetenzen und Personal, um Kunden weltweit nach dem Verkauf zu unterstützen. Von Ersatzteilen bis hin zu technologischen Verbesserungen greift man auf eine breite Lösungspalette zurück, die von Nachrüstung, Überholung bis hin zu Ferndiagnose und vorbeugender Wartung reicht.
5 3-D Druck und Herstellung von CFK-Verbundwerkstoffen: Auf den MasterPrint und Mongoose-Maschinen von Ingersoll laufen in rekordverdächtigen Dimensionen AFP (Automated Fiber Placement)-Prozesse ab© Innse-Berardi
Was das Thema Digitalisierung betrifft, so profitieren Innse-Berardi und Ingersoll von umfassenden Camozzi- Aktivitäten, die auf einem eigenen Cloud-basierten System beruhen. Webinare wie ›Digitalization Beyond Machine Tools‹ zeugen von modernen Kommunikations- und Schulungskonzepten zu brennenden Themen auch im Umfeld der Zerspanung. Matthias Fleischer: »Die Relevanz dieses Themas hängt natürlich stark vom einzelnen Kunden ab. Wir sehen hier zum Teil komplett unterschiedliche Reaktionen, von total begeistert bis nebensächlich. Aber es ist unbestritten für einen Turnkey- Lösungsanbieter, wie wir einer sind, ein Must-have.«
Produkt- und Lösungsportfolio im Überblick
Die fünf Kernkompetenzen der Camozzi-Gruppe
  • 1. Große Vertikalmaschinen: von Innse-Berardi und Ingersoll, wobei sich Innse-Berardi mit den Baureihen Atlas Hydro und Atlas Vision auf die Schwerzerspanung konzentriert. Das Portfolio umfasst Lösungen in Portal- und Tischbauweise.
  • 2. Große Horizontalmaschinen: für die Hochgeschwindigkeits- und Schwerzerspanung mit Rollenführungen (PowerMill und SuperProfiler von Ingersoll) oder für schwere Anwendungen, die Hydrostatik erfordern (Aries Hydro von Innse-Berardi).
  • 3. Spezialmaschinen: maßgeschneiderte Lösungen für jeden Bedarf, wie etwa Bearbeitungszentren für Generator- und Turbinenrotoren oder Fräsanlagen für Aluminium- und Titanbarren mit mittlerer bis hoher Produktion.
  • 4. Additive Fertigung: Die MasterPrint-Familie von Ingersoll umfasst aktuell den weltweit größten 3D-Drucker für thermoplastische Teile. Diese Lösung beinhaltet einen 5-Achs-Fräskopf für die anschließende Fertigbearbeitung.
  • 5. Herstellung von Verbundwerkstoffen: Mongoose von Ingersoll ist eine Automated Fiber Placement (AFP)-Maschine für moderne CFK-Bauteile. Das Hybrid-Mongoose-System bietet AFP, ATL, Inspektion und Zusatzfunktionen auf einer Maschine für Langfaserverbundwerkstoffe in der Luft- und Raumfahrt und anderen Bereichen.

Rückkehr mit Führungsanspruch

An alte Erfolge nahtlos anzuschließen und mit aktuellen Referenzen eine führende Rolle im deutschen Markt für die spanende Großteilebearbeitung einzunehmen, ist der Anspruch des Geschäftsführers: »Neben meinen Aufgaben für den deutschen Markt und der Verantwortlichkeit für die deutsche GmbH, bin ich Teil des neuen Management Teams der Camozzi Machine Tools Division mit den Marken Innse-Berardi und Ingersoll«, so Fleischer. »Mithin koordiniere ich alle Verkaufsaktivitäten im gesamten europäischen Markt und der GUS. Ich bin gemeinsam mit meinem erfahrenen Team angetreten, diese Marken, mit zusammengenommen über 350 Jahren Historie im Großmaschinenbau, zu einer Einheit zusammenzuführen und nachhaltig auf den Weltmärkten zu positionieren. Im Geschäft mit den großen Maschinen ist alles sehr langlebig, insofern ist dies ein Projekt, das einige Jahre in Anspruch nehmen wird. Wir gehen es zuversichtlich und engagiert an.«