PLUSFräsen – Fräsdrehen

Gut haftend und widerständig

Werkzeugbeschichtung – Aluminiumzerspanung – Teile-Output

Jüngstes Ergebnis im Bestreben, mittels Tieftemperatur-CVD Schneiden hochscharf zu beschichten, heißt ›Bison‹. Die Schicht verzehnfacht die Standzeit beim Fräsen von Alu- Werkstücken im Automobilbau und versechsfacht sie in Edelstahl − bei doppeltem Vorschub.
7. November 2019
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Bild 1: Beim Fräsen von Motorblöcken aus AlMgSiCu verlängert die neue Bison-Schicht die Standzeit von Hartmetallfräsern im Vergleich zu TiAlON-beschichteten um mindestens das 9- bis 10-fache. Bei Stufenbohrern nimmt die Standzeit um den Faktor 15 bis 24 zu © Techn. F&E-Zentrum
Auf Aluminium basierende Hochleistungslegierungen sind heutzutage als Werkstoff aus Branchen wie dem Fahrzeugbau oder dem Apparatebau nicht mehr wegzudenken. Die Präzisionswerkzeuge für ihre Zerspanung betreffend, sind spezielle Bedingungen zu beachten. So ist das Bearbeiten mit beschichteten Hartmetall-(HM-) oder Cermet-Werkzeugen nicht zu empfehlen. Diese bewähren sich zwar beim Spanen eisenbasierender Legierungen; mit den dort als Resultat der Beschichtungsverfahren PVD und Hochtemperatur-CVD erzeugten Schichten lassen sich jedoch keine so scharfen Schneiden erzeugen, wie sie zumindest zum Schlichten von Aluminium unerlässlich sind. Vielmehr muss üblicherweise eine Verrundung von 4 bis 12 µm hingenommen werden, die auf eine Schichtdicke ab 4 µm zurückzuführen ist. Die Dicke einer Mikroschicht für die Alu-Zerspanung darf aber 1,5 bis 1,7 µm nicht überschreiten. Nur dann wird die vorausgesetzte hohe Oberflächengüte am Bauteil erreicht.
Bild 2: Rund 1,8 μm dicke karbidische Bison-B-Hartstoff-Mikroschicht, abgeschieden auf der Freifläche eines Vollhartmetall-Schaftfräsers. Die Wolframkarbide sind 4 bis 5 μm groß © Techn. F&E-Zentrum
Allerdings kommt es nicht nur auf die Oberfläche an. Im Hinblick auf eine hohe Prozesssicherheit und Kosteneffizienz sind lange Standzeiten gefragt. Der Weg dorthin führt über Eigenschaften wie optimale geometrische Langzeitstabilität aller Schneiden, hohe Abriebresistenz, geringe Neigung zum Kaltverschweißen, ausgeprägte Profilstabilität, hohe Warmfestigkeit, geringer Reibungskoeffizient sowie optimale Oberflächenrauheit an den Freiflächen, Spanflächen und Schneidkanten.

Die neuen Hartstoffe bewährten sich zunächst nur bei Eisenlegierungen

Bekanntlich ist der Gleitverschleiß der Hauptgrund für die Abnutzung von Schneidkanten, Spanflächen und Freiflächen. Ihn versucht man deshalb seit Langem mit der Entwicklung neuer Hartstoffe zu minimieren. So wurden neue Metall-Oxinitride und Karbonitride entwickelt, die sich aber primär beim Schruppen von Eisenlegierungen bewähren. Zudem lassen sich diese Hartstoffe bis heute ohne einen Haftvermittler nicht zufriedenstellend abscheiden. Um die nötige Haftfestigkeit zu erreichen, gibt es mehrere Möglichkeiten, die aber jeweils einen zusätzlichen Aufwand bedeuten.
All diese Tatsachen waren der Grund dafür, dass man vor 23 Jahren im Technischen F&E-Zentrum begann, nach einem Tieftemperatur-CVD-Verfahren zu forschen. Die Ziele waren, sowohl Mono-Metallkarbide als auch Mono-Metallnitride im Temperatur- bereich zwischen 480 und 570 °C auf Stahl und zwischen 500 bis 600 °C beim Hartmetall qualitätsgerecht aufbringen zu können, multielementige Karbide herstellen zu können, Multi-Karbide auf superscharfen Schneiden in einer Dicke zwischen 0,5 und 1,8 µm abscheiden zu können, bei einem erneuten Beschichten das Entschichten überflüssig zu machen sowie das Nachschleifen eines Werkzeugs und sein erneutes Beschichten zu garantieren − Ziele, die auf die Belange der Aluminiumzerspanung zugeschnitten zu sein schienen.
Bild 3: Einfluss der Oberflächenveredelung auf die Leistungssteigerung von Hartmetall-K40-Fräsern beim Bearbeiten von Motorkomponenten aus AlMgSiCu-Legierung © Techn. F&E-Zentrum
Nach etlichen Rückschlägen gelang es schließlich 2017 zum ersten Mal, stöchiometrisches Titankarbid bei einer Temperatur von 490 °C sowohl auf einer Stahl- als auch auf einer Hartmetall-Oberfläche abzuscheiden, und zwar mit einer Oberflächen-Mikrohärte im Bereich von 3200 HV. Nach diesem 3D-AU-hybriden CVD-Verfahren beschichtete Fräser, Bohrer, Gewindebohrer, Reibahlen, Räumnadeln und Wendeschneidplatten verrichten inzwischen in verschiedenen Sektoren in der Industrie ihren Dienst mit großem Erfolg.
Bei Aluminium-Magnesium-Silizium-Legierungen konnte die Neigung zum Kaltverschweißen durch ein streng definiertes Zumischen von weiteren Elementen vollständig beseitigt werden.
Inzwischen ist mit ›Bison‹ eine weitere Entwicklungsstufe erreicht. Es handelt sich um zwei multikarbidische Hartstoffsysteme: Bison-A für das Beschichten von Stahlwerkzeugen und Bison-B für Vollhartmetall-Werkzeuge. Die Schicht zeichnet sich aus durch einen relativ niedrigen Reibungskoeffizienten, eine geringe Rauheit, eine Orangenhaut-Struktur, eine maximal mögliche Abriebresistenz sowie die fast höchste Mikrohärte von 3200 HV.

Bis zu sechsmal nachschleifen steigert die Effizienz zusätzlich

Die Mikrohärte eines überstöchiometrischen CVD-TiN liegt zwischen 2300 und 2400 HV; 0,2 µm dicke Schichten werden als relativ dicht bezeichnet. Zusätzlich zeigen diese Schichten eine besonders schwache Neigung zur Benetzung mit Metallen und ihren Legierungen, Kunststoffen oder Gummi.
Aufgrund dieser Eigenschaften haben diese Hartstoffsysteme bereits in der Zerspanung von AlMgSiCu- und Mg-Legierungen in der Automobil- industrie bei der Herstellung von Motoren und ihren Komponenten einen großen Anklang gefunden (Bilder 1, 3 und 4). Und das nicht ohne Grund. So konnte beim Fräsen von AlMgSiCu-Pkw- Motorblöcken die Standzeit eines mit Bison beschichteten Hartmetallfräsers im Vergleich zu einem mit TiAlON- beschichteten Werkzeug um mindestens das 9- bis 10-fache verlängert werden. Bei mit Bison beschichteten Stufenbohrern −nach dem Fräsen werden verschiedene Bohrungen eingebracht − gelang es, die Standzeit um den Faktor 15 bis 24 zu verlängern.
Doch das ist noch nicht alles. Die verschlissenen Fräser und Bohrer lassen sich je nach Verschleißgröße 6- bis 10-mal nachschleifen. Nachbeschichtet wird in der Regel erst nach dem dritten Nachschliff.
Ein weiteres Ergebnis beim Automotive-Anwender: Bohr-Reibahlen schafften beim Bearbeiten von AlMgSi-Legierungen statt wie sonst ungefähr 12 000 ± 1000 Teile mit einem unbe-schichteten Werkzeug mit der neuen Schicht 80 000 ± 2 000. Und beim Fräsen von Edelstahl konnte dank der Bison-Schicht der Vorschub verdoppelt und die Standzeit um das 6-fache weiter verbessert werden.
Bild 4: Einfluss der Oberflächenveredelung auf die Leistungssteigerung von VHM-K20- Stufenbohrern beim Bearbeiten von Motorkomponenten aus AlMgSiCu-Legierung © Techn. F&E-Zentrum
Die größten Probleme bereitet die Titanbearbeitung. Hier werden mit Bison veredelte Schaft-, Walzen- und Winkelfräser aus HSS und Hartmetall schon im industriellen Maßstab erfolgreich eingesetzt. Das Ausmaß der Standzeitsteigerung ist von der Zusammensetzung der Ti-Legierung abhängig und liegt im Schnitt zwischen dem Faktor 5 und dem Faktor 11.
Zurzeit wird im Technischen F&E-Zentrum für Oberflächenveredelung an neuen multi-elementigen karbidischen Hartstoffen geforscht, deren Eigenschaften zu einer weiteren Standzeitverlängerung führen werden. Das bedeutet eine beachtliche Steigerung der Rohstoffeffizienz und reduziert die thermische Umweltbelastung.
Autoren
Dr.-Ing. Lienhard J. Paterok und Dipl.-Ing. Leonhard F. Paterok sind Geschäftsführer des Technischen F&E-Zentrums für Oberflächenveredelung und Hochleistungswerkzeugbau in Schömberg lf.paterok@technisches-fe-zentrum.com" target="_blank">lf.paterok@technisches-fe-zentrum.com
Ing. Felix K. Brandt ist Leiter Technologie bei der Weber Automotive GmbH in Neuenbürg f.brandt@weber-automotive.com