Werkstückspanntechnik

Arbeiten Sie schon, oder rüsten Sie noch?

Qualität muss zu marktfähigem Preis verfügbar sein. Die Appenzeller AITech AG erreichte das, indem sie gemeinsam mit pL Lehmann und Schunk aus einem 3-Achs-Standard-BAZ ein ‘Wunderwerk‘ an Flexibilität mit minimaler Rüstzeit machte.
5. August 2022
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Ein CNC-Drehtisch EA520 von pL Lehmann mit vielfältigem Zubehör ergänzt bei AITech das neue 3-Achs-Bohrfräszentrum DMG Mori CMX 1100V. Im Vordergrund der verfahrbare Reitstock LongFlex, die Adapterwange für die Spannbrücke, deren Gegenlager und das via Gredoc-Nullpunktspannsystem montierbare Dreibackenfutter(© pL Lehmann)
Wolfgang Klingauf
Für Lohnfertiger ist eine hohe Flexibilität unabdingbar. Das gilt auch für die AITech AG im schweizerischen Appenzell, deren Kunden vorwiegend aus der Luft- und Raumfahrt, der Uhrenindustrie, der Präzisionsmechanik und dem Maschinenbau stammen. Das Unternehmen ist ein verhältnismäßig kleiner Lohnfertigungsbetrieb, der jedoch in Sachen zertifizierter Qualität mit den Großen mithalten kann. „Obwohl wir nur zehn Beschäftige haben, sind wir nach ISO qualitätszertifiziert und erfüllen die Norm als Zulieferer für den Flugzeugbau und die Uhrenindustrie, für die Baugruppenmontage und einige andere Bereiche“, erklärt Geschäftsführer Thomas Bösch. „Wir sind nicht nur in der Lage, hochwertige, komplexe Produkte zu fertigen, sondern können auch deren hohe Präzision auf 3D-Messmaschinen erfassen und dokumentieren.“

Hohe Effizienz aufgrund von Mehrseiten-Komplettbearbeitung

AITech verfügt über enormes Zerspanungs-Know-how in der Belegschaft und einen hochwertigen Maschinenpark fürs Drehen und Fräsen. Dieser ist gleichermaßen auf Präzision und Wirtschaftlichkeit ausgerichtet, „denn an unserem Hochlohn-Standort müssen wir anspruchsvolle Teile sehr effizient produzieren“, betont Thomas Bösch. „Um eine hohe Produktivität zu erreichen“, fährt der Geschäftsführer fort, „setzen wir im Fräsbereich nach Möglichkeit auf Mehrfachspannung, Komplettbearbeitung und Automation.“
Anwender
Die AITech AG ist ein renommierter Dienstleister für die spanende Bearbeitung präziser Teile. Auf modernen Maschinen fertigt das Unternehmen Uhrenböden und Gehäuse sowie Dreh- und Frästeile für den Flugzeug- und den Maschinenbau, für Pneumatik und Hydraulik, für Sportwaffen und die Telekommunikation. Auch Oberflächenbearbeitung und Baugruppenmontage gehören zum Angebot. Dank hohem Automatisierungsgrad und Mehrschichtbetrieb der CNC-Spezialisten sichert AITech den Kunden kurze Lieferzeiten und einwandfreie Qualität zu, sowohl bei Klein- als auch bei Großaufträgen.
AITech AG
CH-9050 Appenzell
Tel. +41 71 788 01 00
Dazu nutzt AITech zwei horizontale 4-Achs-Bearbeitungszentren (BAZ), die mit Palettensystemen automatisiert sind. Als 2020 zwei vertikale Fräsmaschinen altersbedingt ersetzt werden mussten, wollte Bösch auch hier Mehrfachspannung und Komplettbearbeitung realisiert sehen. Er stellte sich eine dreiachsige vertikale Fräsmaschine vor, die mit einer zusätzlichen Drehachse ausgestattet ist: „Denn durch die vier Achsen können wir Werkstücke fünfseitig zerspanen, ja sogar Rundteile spannen und deren Mantelfläche bei Bedarf simultan bearbeiten.“
So entschieden sich Bösch und sein Frästechnikteam, in eine DMG Mori CMX 1100V zu investieren. Das dreiachsige Bohrfräszentrum bringt durch sein C-Frame-Konzept eine hohe Stabilität und gute Zugänglichkeit mit. Die erforderlich hohe Präzision ist unter anderem durch ein direktes Wegmesssystem gewährleistet; die Positioniergenauigkeit liegt in allen Achsen bei 6 µm. „Wichtig ist für uns zudem der große Bearbeitungsbereich, vor allem der X-Verfahrweg von 1100 mm“, betont Thomas Bösch. „Wir haben zwar nur sehr selten so lange Werkstücke, aber dadurch können wir im Arbeitsraum einen ergänzenden Drehtisch aufbauen und daneben noch mehrere Schraubstöcke oder spezielle Vorrichtungen für die Mehrfachspannung installieren“, so seine grundsätzliche Idee.
Aufgrund des großen Bearbeitungsbereichs (X-Verfahrweg 1100 mm) ist neben dem Drehtisch das pneumatisch lösbare Achtfach-Spannsystem Vero-S von Schunk montierbar. Damit ist die Maschine für die Roboterbestückung vorbereitet(© pL Lehmann)

CNC-Drehtisch steigert die Flexibilität deutlich

Mit ihrem neuen Fräszentrum wollten die Präzisionszerspaner in erster Linie eine hohe Flexibilität hinsichtlich der Bauteilvielfalt erreichen. Dies sollte im Wesentlichen durch einen integrierten CNC-Drehtisch und flexible Spanntechnik realisiert werden.
Hinsichtlich des Drehtisch-Lieferanten legte sich AITech von vornherein fest: pL Lehmann aus dem schweizerischen Bärau sollte es sein. Denn Thomas Bösch hatte schon früher mit Produkten dieses Drehtisch-Spezialisten gearbeitet und beste Erfahrungen hinsichtlich der Qualität und Präzision gemacht. Für die Spannsysteme war Schunk der gewünschte Lieferant. Der Hintergrund: Seit jeher bezieht AITech seine Schraubstöcke von der Gressel AG, die seit 2014 zur Schunk GmbH & Co. KG aus Lauffen am Neckar/Deutschland gehört. In der Schweiz arbeiten die beiden Spanntechnik-Spezialisten am Standort Aadorf fest verzahnt zusammen.
Um eine optimale Gesamtlösung zu erreichen, wurde in diesem Projekt auf Teamarbeit gesetzt. Vertreter von DMG Mori, pL Lehmann und Schunk trafen sich bei AITech, um gemeinsam Ideen zu sammeln, zu bewerten und schließlich eine Konstellation zu entwickeln, die kürzeste Rüstzeiten und eine maximale Flexibilität gewährleistet. Dort wurden dann die Details diskutiert.
Der CNC-Drehtisch EA520 von pL Lehmann lässt sich mit einer Spannbrücke rotoFIX ergänzen, die wiederum mit verschiedenen Spannmitteln ausgestattet sein kann(© pL Lehmann)

Im Team zur optimalen Lösung

Der pL-Verkaufsleiter Schweiz schlug die Drehtisch-Version EA-520.L-M1 vor, ein Modell, das hinsichtlich Antriebsleistung, Klemmkräften und Präzision perfekt zur Maschine und dem vorgesehenen Bearbeitungsspektrum passt. Der pL-Drehtisch sollte sich sowohl als separate Achse, im Bedarfsfall aber auch mit einer Spannbrücke oder mit einem Reitstock betreiben lassen. Für pL Lehmann kein Problem. Das Produktportfolio enthält entsprechende Standardergänzungen wie rotoFix- Spannbrücken und den Reitstock longFlex. Das Unternehmen ist aber auch für spezielle Wünsche offen: So offerierte pL Lehmann, den Reitstock verfahrbar zu gestalten, was letztlich auch geschah.
Für Lukas Ettemeyer, AITech-Produktionsleiter und stellvertretender Geschäftsführer, ging es beim neu zu gestaltenden Fertigungssystem nicht nur um Flexibilität, sondern auch um Zeiteinsparungen: „Die Bearbeitungszeiten können wir kaum reduzieren. Doch beim Rüsten ist noch Potenzial vorhanden.“ So diskutierte das Fachleute-Team verschiedene Möglichkeiten, wie sich die Umrüstzeiten möglichst kurz halten lassen – und fand den Schlüssel im Einsatz diverser Nullpunktspannsysteme.
Mit 20 kN Einzugkraft eignet sich der Gredoc-Nullpunktspanner sehr gut für die Spindel des Drehtisches – hier mit gespannter Adapterwange für die RotoFix-Spannbrücke. Ein schneller Wechsel zum Dreibackenspannfutter ist sichergestellt(© pL Lehmann)

Nullpunktspannsysteme helfen beim Rüstzeitsparen

Punkt 1: Der pL-Drehtisch EA-520 wird mit zwei Gressel-gredoc-Nullpunktspannern auf dem Maschinentisch befestigt. Dadurch lässt er sich im Bedarfsfall innerhalb von 15 min komplett entfernen und ohne langwieriges Einmessen wieder einsetzen. „Das kommt nicht allzu häufig vor“, räumt Ettemeyer ein, „denn wir haben ihn ganz am Rande des Tisches außerhalb des Verfahrbereichs der X-Achse platziert. Somit lässt er noch genügend Platz für mehrere Schraubstöcke beziehungsweise Vorrichtungen für die Mehrfachspannung und kann, auch wenn er nicht benötigt wird, meistens auf der Maschine verbleiben.“ Im vergangenen Jahr musste der Drehtisch dennoch einige Male entfernt werden, womit sich, laut Ettemeyer, der verhältnismäßig geringe finanzielle Mehraufwand für die Nullpunktspanner schon gelohnt hat.
Punkt 2: Auch die Schraubstöcke, Mehrfachspannvorrichtungen, Gegenlager und der Reitstock werden mit einem Nullpunktspannsystem auf dem Maschinentisch fixiert. Die Wahl fiel hierfür auf eine Achtfach-Spannstation Vero-S von Schunk. Das vom Gebietsverkaufsleiter der Schweizer Vertriebsniederlassung Schunk Intec AG vorgeschlagene pneumatische System erschien allen Beteiligten eindeutig als die beste Lösung.
Dabei handelt es sich um ein federgespanntes System, pneumatisch öffnend, mit einem Betätigungsdruck von 6 bar. Die Spannstation eignet sich für die Aufnahme aller gängigen Spannpaletten sowie Spannmittel mit dem dazugehörigen Stichmaß. Da AITech auch die Automatisierungsmöglichkeiten flexibel halten wollte, realisierte Schunk den Sonderwunsch, die Spanntöpfe jeweils paarweise ansteuern zu können, anstatt – wie im Standard vorgesehen – mit einer einzigen Leitung das gesamte System.
Der Drehtisch EA-520.L-M1 passt hinsichtlich Antriebsleistung, Klemmkräften und Präzision ideal zur Werkzeugmaschine. Er lässt auch schwere Bearbeitungen zu(© pL Lehmann)

Der Tisch und das Spannsystem wirken hervorragend zusammen

Dass insgesamt zwei verschiedene Nullpunktspannsysteme gewählt wurden, liegt an den zu erfüllenden, durchaus unterschiedlichen Anforderungen. Für die bereits erwähnte Spannung der Lehmann-Achse auf dem Maschinentisch genügt das mechanische Nullpunktspannsystem gredoc vollauf, das sich durch ein niedriges Baumaß, eine hohe Präzision und ein sehr gutes Preis-/Leistungs-Verhältnis auszeichnet.
Neben dem Gredoc-Doppelspanner für die Befestigung auf dem Maschinentisch nutzt AITech einen Einzelspanner des gleichen Modells für die Spindel des Drehtisches von pL Lehmann. Mit 20 kN Einzugkraft eignet sich der Nullpunktspanner perfekt für solche Einsätze. Damit können die Maschinenbediener ohne großen Zeitaufwand ein Drei-Backen-Futter gegen die Adapterwange für die Rotofix-Spannbrücke tauschen und umgekehrt.

Rüstzeit bis zu 70 Prozent gekürzt und weitere Zeitvorteile genutzt

Geschäftsführer Thomas Bösch ist mit seiner neuen Fertigungsanlage zufrieden: „Mehr Flexibilität geht nicht.“ Und er schöpft die Vorteile voll aus. Als Beispiel berichtet er von einer selbstgebauten Vorrichtung, die er übers Nullpunktspannsystem direkt auf die vierte Achse spannt. Mehrfach bestückt, werden damit die Bauteile über Nacht zerspant. Am nächsten Morgen, nach zehn Stunden Bearbeitungszeit, nimmt der Maschinenbediener die Vorrichtung ab, produziert tagsüber verschiedene Teile auf den Schraubstöcken, bis er am Abend wieder die Vorrichtung für die mannlose Nachtschicht montiert.
Hersteller
Peter Lehmann AG
CH-3552 Bärau
Tel. +41 34 409 66 66
„Wir müssen je nach Auftragslage manchmal zweimal am Tag umrüsten; da summieren sich die Rüstvorteile“, freut sich der Firmenchef. „Bei Bauteilen, die wir früher auf anderen Maschinen fertigen mussten, konnten wir zum Teil die Rüstzeiten um bis zu 70 Prozent reduzieren. Hinzu kommen zusätzliche Zeitvorteile durch Mehrfachspannungen, die durch den größeren Arbeitsraum möglich sind. In einem teuren Land wie in der Schweiz kann man als Lohnfertiger nur dann bestehen, wenn man solche Vorteile nutzt.“
Wolfgang Klingauf ist freier Fachjournalist und Inhaber der Agentur k+k-PR in Augsburg/Deutschland wolfgang.klingauf@kk-pr.de