Werkzeugüberwachung

Wenn nachts der Sensor wacht

Um beim Wirbeln teuren Werkzeugbruch zu vermeiden, investierte Lock Antriebstechnik in Ertingen 2022 in das Werkzeug- und Prozessüberwachungssystem UT-Tm von UTTec. Danach vervierfachte sich die Standzeit; Qualität und Produktivität sind auf hohem Niveau.
6. Mai 2024
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Der Zerspanspezialist UTTec fand für Lock Antriebstechnik eine Lösung, wie das Wirbeln von Getriebeschnecken prozesssicher und bedienerarm tagsüber und über die Nacht vonstatten gehen kann© UTTec
Lock Antriebstechnik im baden-württembergischen Ertingen ist ein international führendes Unternehmen für Antriebstechnik in der Landwirtschaft. Neben der Produktion und dem Vertrieb von Antriebselementen für die Lüftung und die Schattierung von Gewächshäusern und Tierställen behauptet sich Lock im Markt mit Lösungen für ein optimales Gebäudeklima, für Umweltmanagement und für Smart Farming.
Das Wirbeln gehört bei Lock zu den quasi täglich praktizierten Fertigungsverfahren. Nachdem man bereits in eine Wirbelmaschine von Leistritz investiert hatte, stand aufgrund der durchweg positiven Erfahrungen mit ihr im Jahr 2017 die Anschaffung einer weiteren Maschinen dieses Herstellers im Raum, konkret einer ‘LWN 120‘.
Bei der Fertigung von Getriebeschnecken wollte man so die Vorteile des Wirbelns − zum Beispiel eine effiziente Trockenbearbeitung und eine sehr hohe Oberflächenqualität − mit einem schnelleren Umrüsten und einer bedienerlosen Fertigung (Bestückung über Roboter) verbinden.
Rohteile für Getriebeschnecken, die bei Lock Antriebstechnik ihrer qualitätsgerechten, bedienerlosen Bearbeitung harren© UTTec

Wegen des zähen Werkstoffes entstanden Aufbauschneiden

Dem von Lock angestrebten Ziel schien man zunächst in einem ersten Schritt nahegekommen zu sein. Beim Bearbeiten bestimmter Module kam es dann allerdings immer wieder zu Brüchen der Werkzeugplatten, und die Standzeiten verkürzten sich enorm. Dazu Armin Schirmer, Leiter Fertigung Getriebeteile bei Lock Antriebstechnik: „So ein Bruch kommt ja einerseits durch den Verschleiß. Bei uns war es aber meist das zähe und sehr unterschiedliche Material. Die Schneide schmiert zu, und es bildet sich eine Aufbauschneide. Der Druck wird dann zu groß, und die Platte bricht.“ Deshalb habe man gemeinsam mit Leistritz Beschichtungen getestet, Werkstoffuntersuchungen durchgeführt, Spannzangen verändert und „alles Mögliche“ ausprobiert, war aber zu keinem Ergebnis gekommen. „Unsere Vermutung war dann, Material und Schneide passen einfach nicht zusammen“, so Schirmer. Ein noch größeres Problem sei es allerdings gewesen, dass bei einem Werkzeugbruch auch die Maschinenkomponenten wie Spindeln oder Achsen verschoben wurden und neu ausgerichtet werden mussten − eine sehr kostenintensive Maßnahme.
Aus diesem Grund wurde dann bei Leistritz ein System entwickelt, bei dem ein Messtaster mit einer eigenen Achse ein Masterprofil in der Steuerung speichert, das Bauteil scannt und eine entsprechende Meldung zur Weiterbearbeitung oder zum Abbruch gibt. Das Problem: Eine Aufbauschneide ist kein regulärer Verschleiß. Und so ging man in Ertingen dazu über, nach einigen Schnecken Messungen durchzuführen und die Platten der Werkzeuge vorsorglich früh zu wechseln. So kam man zwar auf eine längere Standzeit, hatte aber nachts nach wie vor das Problem der bedienerlosen Fertigung und der enormen Werkzeugkosten.
Kernstück der Bearbeitungszelle bei Lock ist eine moderne Wirbelmaschine LWN 120 von Leistritz. Mit ihr wollte man die generellen Vorteile des Wirbelns mit denen eines schnellen Umrüstens und des selbsttätigen Fertigens verbinden© UTTec

Ans Ziel mit optimierter Sensorik und individualisierter Software

In der Folge wurden bei Leistritz Werkzeugüberwachungssysteme diverser Hersteller getestet. Für Patrick Schuka, Vertriebsleiter Werkzeugmaschinen bei Leistritz, war das allerdings weniger zufriedenstellend: „Viele Systeme haben die Stromaufnahme gemessen; wenn es so zum Bruch kam, war es zu spät. Das heißt, die Systeme waren nicht sensibel genug, die Ergebnisse also nicht überzeugend. Deshalb haben wir dann irgendwann diese Tests eingestellt, denn wir wollten das Risiko nicht auf unsere Kunden abwälzen.“
Erst im Zuge einer Zusammenarbeit mit den Zerspanexperten der UTTec GmbH & Co. KG aus Winnenden, einem Technologiepartner, der mit einem Team von erfahrenen Technologen Produktions- und Bearbeitungsprozesse bewertet und Lösungen zur Optimierung bietet, änderte sich die Situation.
Nach intensiven Versuchen mit der Technologieabteilung von Leistritz war man bei UTTec überzeugt, dass die Probleme mit herkömmlichen Standard-Überwachungen nicht zu lösen waren. Es folgten zahlreiche Test und Analysen, mit der Erkenntnis, dass eine Erhöhung der Schnittparameter zu sehr feinen, fast pulverartigen Spänen führt. Für Uwe Schröter, Geschäftsführer bei UTTec, war das der Ansatz zur Weiterentwicklung: „Diese Ergebnisse haben gezeigt, wohin wir bei der Analyse und der Empfindlichkeit des Systems zu gehen hatten. Wir haben dann unsere Sensorik nochmals optimiert, eine entsprechende Software entwickelt und auf dieser Basis gemeinsam mit Leistritz Entwicklungen auf den Weg gebracht, die sich heute als erfolgreich erweisen.“
Kurz vor Schichtende startet die Maschine und fertigt roboterunterstützt nachts, wie es das Ziel war. Mittlerweile ist man dazu übergegangen, die Maschine auch tagsüber automatisiert laufen zu lassen© UTTec

System erweist sich als ein schnell einstellbarer ‘Selbstläufer‘

Vor einem Jahr wurde das System mit der Bezeichnung UT-Tm bei Lock Antriebstechnik vorgestellt. In Ertingen war man allerdings zunächst skeptisch; nach Auskunft von Armin Schirmer erscheint diese Skepsis aber heute als absolut unbegründet, denn das System hat inzwischen nicht nur mehrmals vor einem Plattenbruch funktioniert, sondern hat sich auch schon zu 70 Prozent amortisiert. Und besonders erfreulich ist es für Jonas Zoll, den Maschinenbediener, dass das Überwachungssystem relativ einfach zu verstehen ist. „Natürlich muss man sich damit eine gewisse Zeit befassen, bis jedes Programm zu einer Produktserie passt; man muss ja auch nachjustieren, wenn andere Schnittparameter oder Werkzeuge zum Einsatz kommen“, so Zoll. „Aber das ist wirklich nicht schwer. Unsere Paradedisziplin ist beispielsweise ein bestimmtes Modul mit entsprechenden Stückzahlen. Wenn das System eingestellt ist, kann man das problemlos laufen lassen.“
Freuen sich über eine Vervierfachung der Standzeit und die automatisierte Fertigung: Patrick Schuka, Vertriebsleiter Werkzeugmaschinen bei Leistritz, Armin Schirmer, Leiter Fertigung Getriebeteile bei Lock, Jonas Zoll, Maschinenbediener bei Lock, und Uwe Schröter, Geschäftsführer von UTTec (von links)© UTTec

Erzielt wurde eine erhebliche Reduzierung der Werkzeugkosten

Weil zum UT-Tm-System eine Verschleißüberwachung gehört, lassen sich mit ihm auch die Standzeiten der Schneidplatten der Werkzeuge optimieren. In Ertingen hat man das zwar bereits gemacht; viel wichtiger ist für die Verantwortlichen aber die Sicherheit, dass das System frühzeitig erkennt, wenn Gefahr im Verzug ist. Und weil dem so ist, lässt sich bei Lock Antriebstechnik jetzt auch verwirklichen, was bei der Investition in die Wirbelmaschine LWN 120 geplant war: Die Maschine startet mit einer Palette mit Werkstücken kurz vor Schichtende und fertigt nachts, inzwischen aber auch tagsüber, bedienerlos. Außerdem haben sich die Standzeiten der Werkzeuge deutlich verlängert, und das führt natürlich auch zu einer erheblichen Reduzierung der Werkzeugkosten.
Information & Service

Anwender

Lock Antriebstechnik GmbH
88521 Ertingen
Tel. +49 7371 9508-0
www.lockdrives.com
Leistritz Produktionstechnik GmbH
92714 Pleystein
Tel. +49 9654 89-0
www.leistritz.com

Hersteller

UTTec GmbH & Co. KG
71364 Winnenden
Tel. +49 7195 9791-100
www.uttec.de