Nach Rekordzahlen bis 2018 und einem guten Jahr 2019 war eine Abkühlung des Marktes vorhersehbar. Doch der weltweite virusbedingte Lockdown hat die Schweizer MEM-Industrie nicht nur geschwächt, sondern sie in eine Krise gestürzt.
Das Schaltjahr mit der Schnapszahl 2020 wird unserer Branche wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Auf eine Rekordperiode für die Schweizerische Werkzeugmaschinenindustrie aus fünf aufeinanderfolgenden Quartalen mit Exporten von jeweils mehr als 1 Milliarde Schweizer Franken bis Ende 2018 folgte ein recht ›vernünftiges‹ Jahr 2019, das aber düstere Vorahnungen aufkommen und entsprechende Vorzeichen für unsere Industrie bezüglich dessen, was da kommen möge, erkennen ließ.
Ein Corona-Virus namens Covid-19 bewirkte dann, dass − geografisch gestaffelt − die angestammten Märkte in sich zusammenbrachen. Doch streng genommen wirkte Corona nur als Beschleuniger des Abstiegs in die Niederungen einer Krise.
Schon ein Blick auf die Entwicklung der Schweizer Werkzeugmaschinen-Exporte ab dem vierten Quartal 2018 hat kaum Zweifel offen gelassen, ›wohin die Reise gehen‹ würde. Die Resultate des ersten Quartals 2020 schließlich sprechen eine klare Sprache. So sind die Exporte der Schweizer MEM-Industrie in die wichtigsten Abnehmerregionen wie die EU (-10 Prozent), Asien (-7 Prozent) und die USA (-6 Prozent) auf breiter Front eingebrochen. Und dabei berücksichtigen diese Zahlen erst den Anfang des Covid-19-Effektes.
Maschinenexporte halbiert im Vergleich zum 4. Quartal 2018
Mit einem satten Abschlag von 27,6 Prozent – also mehr als einem Viertel – zum Vorjahresquartal – zeigen die Werkzeugmaschinen-Exporte noch deutlicher, was sich hier vollzieht. Vergleicht man die aktuellen Quartalszahlen mit dem vierten Quartal 2018, so zeigt sich, dass sich die Werte im ersten Quartal 2020 für die Märkte Deutschland, China und USA praktisch halbiert haben. Nach Italien haben wir in den ersten drei Monaten des aktuellen Jahres gerade einmal noch knapp 40 Prozent der im letzten Quartal 2018 exportieren Maschinen geliefert.
Es ist allerdings sekundär, ob man die Daten nach geografischen Merkmalen einordnet; der Abwärtstrend betrifft den gesamten Markt. Zwei Tatsachen wirken für die Schweizer Werkzeugmaschinenindustrie ›schmerzbeschleunigend‹:
Die deutsche Hauptkundschaft wurde wegen der Überlagerung des Strukturwandels in der Automobilindustrie und der Anti-Covid-19-Maßnahmen sehr stark beeinträchtigt.
Die im alpinen Raum für ihren bedeutenden Beitrag zur Fertigungs- industrie bekannten Regionen Norditaliens traf die Pandemie besonders hart. Das hat nicht nur zu einem Abbrechen der Nachfrage, sondern auch zu Disruptionen in der Supply Chain geführt.
Anzeichen eines Wandels zum Positiven sind bei den Abnehmerindustrien leider nicht auszumachen. Was die MEM-Industrie generell betrifft, so hatten beispielsweise wichtige Unternehmen der Schweizer Uhrenindustrie schon Mitte März 2020 die Produktion für mehrere Wochen stillgelegt. Und bei den Werkzeugmaschinen-Herstellern scheiterten etliche Auslieferungen an Kunden der Automobilindustrie im Fernen Osten, die als erste wieder die Produktion hochfahren ließen, oft an unüberwindbaren logistischen Hürden. Hinzu kam, je nach Standort und speziell im grenznahen Gebiet, das Problem mit dem relativ hohen Anteil an Grenzgängern bei der Belegschaft.
So hat sich das, was sich im zweiten Halbjahr des Jahres 2019 als quasi normaler Rückgang der Konjunktur durch merklich kleinere Bestelleingänge angekündigt hatte, im ersten Halbjahr 2020 zu einem Marsch nach Golgata entwickelt. In einem Marktsegment nach dem anderen brachen die Bestellungen weg.
Die Vorboten der Krise konnten bereits 2019 erkannt werden, etwa aufgrund des Auftretens der Zinsdifferenzinversion von langfristigen zu kurzfristigen US-Staatsanleihen. Dieser Indikator zeigte in der Vergangenheit jede Rezession in den USA jeweils mit großer Zuverlässigkeit an, so auch dieses Mal.
Zum gleichen Schluss kam auch Peter Meier schon vor rund drei Jahren durch eine alternative Betrachtung, die in seinem Buch ›Die Wirtschaft als schwingendes System‹ (Carl Hanser Verlag, 2019) beschrieben ist. Er beobachtet darin die Zyklen des Konsums und der Industrieproduktion. Wann immer beide Zyklen gleichzeitig ihren Höhepunkt erreicht hatten, führte das in den letzten 50 Jahren jeweils zu einer großen Krise bei der Nachfrage nach Investitionsgütern. Seit dem Jahr 2017 war absehbar, dass diese Konstellation im Verlauf von 2019/2020 eintreten würde. Der exakte Zeitpunkt lässt sich aber auch mit diesem System nicht vorhersagen; das bestätigt Josua Burkart von hpo forecasting, der Firma, die die Prognosearbeit von Peter Meier weiterführt.
Eine Erholung ist nicht in Sicht
Der Verband
Swissmem – Die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie CH-8005 Zürich Tel. +41 44 3844111 www.swissmem.ch
Wagt man einen Blick in die Zukunft, so sind Zeichen einer unmittelbaren Erholung nicht in Sicht. Die Rangfolge der Exportmärkte, in der 2019 nach einigen Jahren Unterbrechung wieder die USA Platz 2 belegte, dürfte sich wohl 2020 wieder zugunsten Chinas verschieben. Grund dafür sind die zeitgestaffelten Auswirkungen der Corona-Pandemie.
Die allgemein angespannte Wirtschaftslage rückt zudem für die Schweizer Industrie wieder einen gut bekannten anderen Faktor ins Rampenlicht: den Wechselkurs beziehungsweise die Stärke des Schweizer Frankens, speziell gegenüber dem Euro. Je mehr sich der Wechselkurs des Frankens einem Wert von 1,05 für einen Euro annähert (oder sogar Parität erreicht), desto steiniger dürfte der Weg zurück zur Normalität für unsere Industrie werden. T
Autor
Dipl.-Ing. (FH) Christoph Blättler ist Fachverbandsleiter ›Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik‹ bei Swissmem in Zürich/Schweiz C.Blaettler@swissmem.ch