PLUSEMO Hannover 2019
Im Zeichen der Elektromobilität
50-jähriges Jubiläum – Verzahnmaschinen und -werkzeuge – Automationslösungen
Bei hochsommerlichen Temperaturen lud Liebherr-Verzahntechnik zum Kundentag nach Kempten ein. Im Fokus standen die Würdigung einer erfolgreichen Unternehmensgeschichte sowie die Präsentation der breit gefächerten Kompetenz fürs Verzahnen und Automatisieren.
3. September 2019
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Als Firmengründer Hans Liebherr den Bedarf an Baumaschinen für den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit erkannte und 1949 mit dem ersten mobilen Turmdrehkran TK 10 zu begegnen gedachte, war noch nicht klar, dass es 20 Jahre später an essenziellen Komponenten für weiteres Wachstum fehlen würde: an Zahnrädern.
Lieferzeiten von bis zu 36 Monaten trieben ihn und seine Techniker dazu, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und eigene Verzahnmaschinen zu konstruieren und zu bauen, um diese Komponenten selbst zu fertigen. 1969 – die Geburtsstunde von Liebherr-Verzahntechnik.
Seitdem hat sich die Liebherr-Tochter stetig weiterentwickelt, der Bereich der Automationssysteme kam hinzu und die Firma und die Mitarbeiterzahl wuchs stetig. Heute sind bei Liebherr weltweit über 1500 Mitarbeiter an der Produktion von Verzahnmaschinen, Verzahnwerkzeugen und Automationssystemen beteiligt. Wie Familiengesellschafterin und Verwaltungsratsmitglied Patricia Rüf anlässlich der Jubiläumsfeier am 27. Juni betonte, sei es der ungebrochene Mut zur Innovation an der Basis der Wertschöpfung, der den Erfolg des Unternehmens ausmache. Dafür bedankte sie sich bei allen Mitarbeitern und Kunden, die es ermöglicht hätten, dass in den vergangenen 50 Jahren etwa 8800 Verzahnmaschinen gebaut und ausgeliefert wurden.
Connecting forward
Nach den Ansprachen stellten Liebherr-Mitarbeiter im Rahmen von Vorträgen und Maschinenpräsentationen unter dem Motto der Veranstaltung ›50 years connecting forward‹ die neuesten Entwicklungen im Bereich der Verzahnmaschinen, Verzahnwerkzeuge, Verzahnungsmesstechnik und Automation vor. Dabei standen die Megatrends Elektromobilität und digitaler Wandel im Fokus. Etwa 50 Prozent der Kunden der Liebherr-Verzahntechnik stammen aus der Automobilindustrie. Der Umstieg auf die E-Mobiliät bedeutet Getriebe mit einer geringeren Zahnräderzahl, jedoch müssen diese besonders hochwertig sein, um die Geräuschentwicklung möglichst gering zu halten.
Auch den Bereich der Automationssysteme betrifft diese Entwicklung. Das Hauptgeschäft sind Zylinderköpfe und -blöcke sowie Kurbelwellen, die automatisiert in Fertigungslinien erzeugt werden. Weitere Vorträge umfassten Themen wie die neuen Herausforderungen beim Wälzschleifen von Zahnrädern für E-Antriebe, die neue Beschichtung bei Verzahnwerkzeugen oder die automatisierten Linieneingänge für Fertigungsanlagen aus dem Bereich Automation. Nach dem Kauf der Wenzel GearTec GmbH bekamen die Gäste überdies einen ersten Einblick in das Portfolio und die Technologie der Verzahnungsmesstechnik. Im Anschluss nahmen die zahlreichen Besucher an Maschinenvorführungen teil und nutzen die Gelegenheit, sich mit den Experten auszutauschen.
Verzahntechnik auf der EMO 2019
Der Bereich Verzahnung geht unter anderem mit einer Wälzschleifmaschine LGG 180 an den Start, die mit integrierter Schleuder ausgestattet ist. Die neue Generation der Elektroautos wird meist in neuen Fabriken gebaut, in denen sichere und saubere Prozesse im Fokus stehen. Dem trägt die Schleuderstation zum Entfernen von Spänen und Kühlmitteln Rechnung. Diese ist an der zur Bedienseite zeigenden Tasche des Ringladers positioniert. Sie ist von der Maschine entkoppelt montiert, damit sich Schwingungen oder Vibrationen aus dem Schleuderprozess nicht auf die Verzahnungsqualität auswirken. So ist hauptzeitparalleles Schleudern möglich. Es kommt zu keiner Ölverschleppung, die Medien bleiben in der Maschine und die gereinigten Bauteile können in jedweder Automation weitertransportiert werden.
Zudem setzt Liebherr beim Wälzschleifen auf CBN-Werkzeuge mit eingebrachten Modifikationen, was für kurze Zykluszeiten und hohe Standzeiten sorgen soll. Weitere Vorteile sind das Entfallen von Aufdornen, Vorprofilieren und Abrichten sowie des Einstellens des Profilwinkels und deutlich reduzierte Mess- und Prüfaufwände.
Auch in puncto ChamferCut legt Liebherr mit einem Upgrade nach. Denn bei Bauteilen wie Wellen oder Losrädern war der Einsatz des Chamfer-Cut-Verfahrens zum Anfasen bislang oft nicht möglich, so Dr. Oliver Winkel, Leiter der Technologieanwendung: »Störkonturen sorgen hier für Kollisionsgefahren, die einen möglichen Einsatz des Werkzeugs einschränkten. Durch ein Kippen des Werkzeugs können jetzt auch Verzahnungen bearbeitet werden, die früher nicht infrage kamen.« Nach dem ChamferCut-Prinzip können nun auch Innenverzahnungen angefast werden, sofern deren Stirnflächen an den Bauteilkanten liegen.
Automation auf der EMO 2019
Das modulare Palettenhandhabungssystem PHS Allround besticht durch seine Skalierbarkeit. Diese steigert sich nochmals mit dem neuen Doppellader, der über einen Fahrturm mit zweiter, um 90 Grad versetzter Teleskopgabel verfügt. In der Folge kann in einer Fahrt ein Rohteil mitgenommen und die Maschine direkt nach dem Entladen des bearbeiteten Werkstücks neu beladen werden. Das ist besonders interessant für direktbeladene Bearbeitungszentren ohne Palettenwechsler oder Systeme mit mehreren Maschinen. Im Vergleich zum Einzellader wird die Palettenwechselzeit halbiert. Der Doppellader kann aber auch mit unterschiedlichen Transportgabeln ausgestattet sein, die für verschiedene Palettengrößen passen. Dann funktioniert der direkte Wechsel zwar nicht, aber es können zwei unterschiedliche Maschinengrößen an das System angeschlossen werden. Der Flexibilitätsgewinn besteht bei der freieren Maschinenwahl, denn es können zwei unterschiedliche Palettengrößen in einem System gehandhabt werden.
Für intralogistische Transportaufgaben bietet Liebherr auf Fahrerlose Transportsysteme (FTS). Sie transportieren Werkstücke vom Rohteil bis hin zum Fertigteil zwischen den jeweiligen Produktionsschritten. Doch wie kommt das Rohmaterial in ein voll automatisiertes Produktionssystem und wie kommen die Fertigteile wieder aus dem System heraus? Liebherr kombiniert FTS mit dem bewährten Bin-Picking-Konzept. Zuverlässige 3D-Visionsysteme erfassen die Werkstückumgebung optisch und werten sie aus. Ein Roboter mit patentierten Zusatzachsen kann damit chaotisch gelagerte Teile aus einem Behälter mit bis zu einem Meter Tiefe prozesssicher entleeren und auf einem FTS positionieren. Für den Produktionsausgang gelten ähnliche Regeln: Auch hier kann der Roboterarm einer Palettierzelle die bearbeiteten Werkstücke vom FTS greifen und anschließend in Werkstückträger wie Drahtkörbe oder Blister palettieren.
Thomas Mattern, Leiter Entwicklung Automationssysteme, sieht eine klare Notwendigkeit für solche Systeme: »Je flexibler Produktionen werden, desto wichtiger wird die Intralogistik. Mehr unterschiedliche Teile bedeuten auch mehr Bewegung in der Fertigung. Kleinere Losgrößen müssen unterschiedliche Wege in der Fabrik zurücklegen. Mit unserer Kombination aus FTS und Bin Picking greifen wir hier ein brandaktuelles Thema auf.«