Feinbearbeitung von Verzahnen für die Elektromobilität
High-End-Oberflächen für Zahnräder in der E-Mobilität
Aufgrund des größeren Betriebsbereichs eines Elektromotors wurde die Auslegung der Verzahnung umfangreich angepasst. Zudem wurden die geometrischen Fertigungstoleranzen zur Optimierung des Geräuschverhaltens und zur Maximierung der Reichweite massiv verschärft.
6. Mai 2024
1
von Janis Thalau und Philip Geilert
Für die im Vergleich zur Verbrenner-Ära erheblich gestiegenen Anforderungen an die Qualität von Zahnrädern für Elektromobilität-Anwendungen können zwei wesentliche Gründe identifiziert werden: 1. Durch den Wegfall der Geräuschemission des Motors ist das akustische Verhalten des Getriebes in den Fokus gerückt. 2. Die Reichweite von Elektrofahrzeugen wurde zu einem wichtigen Verkaufsargument, was zudem den Getriebewirkungsgrad zu einer zentralen Größe macht.
Neue An- und Herausforderungen
Reduzierung von Geräuschemissionen: Da die maskierenden Geräusche eines Verbrennungsmotors wegfallen, können die Geräuschemissionen des Getriebes im niedrigen Drehzahlbereich dominieren.
Höhere Belastungen: Die Zahnräder im Getriebe von Elektrofahrzeugen werden anders und potenziell stärker belastet, da sie im Allgemeinen nur einen Gang (und zwei Gangstufen) haben. Darüber hinaus verfügen Elektromotoren über eine andere Drehzahl-/Drehmomentkurve (bereits hohe Drehmomente bei niedrigen Drehzahlen).
Höherer Wirkungsgrad: Der Wirkungsgrad eines Elektromotors ist wesentlich höher als der eines Verbrennungsmotors. Vor diesem Hintergrund rückt auch der Wirkungsgrad des Getriebes stärker in den Fokus, wenn der Wirkungsgrad des gesamten Antriebsstrangs maximiert werden soll.
Kontaktmechanismen: Um die zuvor genannten Anforderungen zu erfüllen, müssen die verschiedenen Mechanismen berücksichtigt werden, die während des Zahnkontakts innerhalb des Getriebes auftreten. Dazu gehören die Materialermüdung, das Anregungsverhalten und das tribologische Verhalten des Zahnradpaares. Diese Kontaktmechanismen werden durch die Formabweichungen verschiedener Ordnungen beeinflusst (1. Ordnung: Formabweichung, 2. Ordnung: Welligkeit, 3. & 4. Ordnung: Rauheit, 5. Ordnung: Mikrostruktur).
Leichtbauweise: Um die hohen Drehzahlbereiche von Getrieben in der E-Mobilität abbilden zu können, rückt der Leichtbau von Zahnrädern zunehmend in den Fokus. Daraus ergeben sich Herausforderungen in Bezug auf wärmebehandlungsbedingte Verzüge sowie die Werkstückspannung.
Neue Messwerte: Bei der Rauheitsmessung werden zunehmend ‘neue‘ Kennwerte verwendet, die zum Teil nur durch Werksnormen definiert sind.
Erreichbare Qualität durch unterschiedliche Finishing-Technologien
Aufgrund der hohen Anforderungen an Verzahnungen für die E-Mobilität steigt die Nachfrage nach glatteren Oberflächen an den Zahnflanken. Das führt zu einem verstärkten Einsatz von Oberflächenbearbeitungsverfahren wie dem Feinschleifen oder dem Polierschleifen. Während durch Feinschleifen hergestellte Oberflächen immer noch eine Struktur aufweisen, die mit der von konventionell geschliffenen Oberflächen vergleichbar ist, jedoch mit einer viel geringeren Amplitude, sind bei poliergeschliffenen Oberflächen nahezu keine Rauheitsspitzen vorhanden.
Herausforderungen beim Polierschleifen
Die besondere Beschaffenheit von poliergeschliffenen Oberflächen wird durch die Elastizität der häufig verwendeten polyurethangebundenen Schleifwerkzeuge erreicht. Während diese Oberflächenbeschaffenheit im Vergleich zum Feinschleifen vorteilhaft erscheint, stellt das elastische Verhalten der Werkzeuge eine große Herausforderung für die Einhaltung der engeren Toleranzen in Bezug auf die Formabweichungen dar. Geometrische Effekte wie Beulen, Zahnkopfverrundungen, Einschnürungen im Bereich des Zahnfußes oder Welligkeiten sind typisch für das Polierschleifen.
In Abhängigkeit des Polierdrucks kann die Oberflächenqualität sowie das Auftreten von geometrischen Anomalien beeinflusst werden. Während eine Veränderung des Achsabstands zwischen Werkzeug und Werkstück zu einer allgemeinen Beeinflussung des Polierdrucks führt, ist es oft notwendig, den Polierdruck lokal zu verändern, um die genannten geometrischen Anomalien zu vermeiden. Darüber hinaus darf die Qualität der geschliffenen Zahnflanken, die den Ausgangszustand für den Polierprozess darstellt, bei der Gestaltung des Polierschleifprozesses oder bei der Analyse von Geometrieabweichungen nicht unberücksichtigt bleiben.
Messtechnik-Herausforderungen
Das Erreichen höchster Oberflächenqualitäten bei gleichzeitiger Einhaltung der Anforderungen an die Formabweichungen stellt nicht nur die Fertigungstechnik, sondern auch die Messtechnik vor neue Herausforderungen. In diesem Zusammenhang verlieren herkömmliche Werte zur Beschreibung der Oberflächenrauheit wie Ra und Rz sowie Formabweichungen wie ffα und ffβ an Aussagekraft. Dafür rücken aus der Abbott-Firestone-Kurve abgeleitete Werte zur Oberflächenbeschreibung sowie Welligkeitsanalysen bei der Charakterisierung der Qualität von Getrieben für die Elektromobilität in den Vordergrund.
Optimierungsstrategien rund um die Feinbearbeitung von Verzahnungen
Kapp Niles hat in den vergangenen Jahren verschiedene Strategien entwickelt, wie Maschinen-, Software-, Werkzeug- und Prozessdesign angepasst werden müssen, um eine optimale Balance zwischen Produktivität, Oberflächenqualität sowie Formabweichungen zu erreichen. In diesem Zusammenhang können zum Beispiel Abrichtwerkzeugauslegung sowie Abrichttechnologie, neue Korrekturmöglichkeiten innerhalb der Maschinensoftware oder die Optimierung des dynamischen Verhaltens von Maschinen sowie Antrieben und Achsen dazu beitragen, die anspruchsvollen Qualitätsanforderungen für Zahnräder in der E-Mobilität zu erfüllen.
Information & Service
Hersteller
Autoren
Janis Thalau und Co-Autor Dr.-Ing. Philip Geilert arbeiten in der Technologieerprobung/Grundlagen bei Kapp Niles
info@kapp-niles.com
info@kapp-niles.com