PLUSFräswerkzeuge
Effizient zu guter Führung
Dank zweier Fräser von ZCC Cutting Tools bearbeiten die Linearachs-Spezialisten von Bahr Modultechnik ihre Aluminiumprofile nun kühlschmierstofffrei. Auf Reinigung und Entsorgung von KSS können sie verzichten. Zudem verkürzte sich die Prozesszeit um maximal 70 Prozent.
20. Mai 2020
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von Frank Pfeiffer
Sie sind das Rückgrat unserer Volkswirtschaft: gut geführte Unternehmen. Bahr Modultechnik in Luhden am Rande des Weserberglands ist zweifellos eines von ihnen. Andernfalls wäre der Aufstieg vom 2-Mann-Betrieb zu einem anerkannten Zulieferer innerhalb von nur drei Dekaden kaum gelungen. Doch die Niedersachsen fühlen sich guter Führung noch in einem zweiten Sinne verpflichtet. So nutzen sie den Umstand, dass alle linear bewegten Teile dynamischer Systeme Achsen brauchen, die sie exakt führen. Und Linearachsen sind eben jene Produkte, um die sich bei Bahr alles dreht.
Linearachsen müssen eine dauerhaft hohe Präzision sicherstellen. Allein das stellt schon hohe Anforderungen an ihren Fertigungsprozess. Doch dieser muss auch flexibel sein, denn die Produktpalette ist äußerst vielfältig und deckt Anwendungsfälle ab, die von Reinraum-Laboranlagen über Verpackungssysteme bis zur Verkettung von Werkzeugmaschinen reichen.
»Aus einer praktisch unendlichen Vielfalt an Linearachsen die richtigen schnell, zuverlässig und dennoch kostengünstig auch in kleiner Stückzahl liefern zu können, ist unsere Spezialität und hebt uns von unseren Wettbewerbern ab«, sagt Stefan Krüger, der stellvertretende Konstruktionsleiter. Das modulare Prinzip, auf das schon der Firmenname hinweist, befähige Bahr dazu, dem Slogan ›Durch Kombination zur Vielfalt‹ gerecht zu werden. Inzwischen wurden über 10 000 kundenspezifische Projekte erfolgreich realisiert.
Aufwendige Reinigung der Profile minderte die Prozesseffizienz stark
Bei aller Vielfalt gibt es doch eine Gemeinsamkeit aller Linearachsen: Ihr Leben beginnt als Profil. Bei der besonders wichtigen Gruppe der Linearachsen aus Aluminium − Bahr verarbeitet im Jahr rund 150 t des Leichtmetalls − sind das stranggepresste Führungsprofile mit Hohlkammern. Jedes dieser 6 m langen Halbzeuge wird auf einem der sechs Bearbeitungszentren von Yamazaki Mazak vorbearbeitet, dem Super Velocity Center 2000L/200 mit Linearmotoren und einer Verfahrgeschwindigkeit bis 120 m/min. Hier bringt man erste Ausfräsungen und Schlitze in die Profile ein, ebenso Servicebohrungen und Ähnliches.
Dabei wirkte stets ein Sachverhalt quasi als wirtschaftlicher Hemmschuh: Zum Fräsen der Profile verwendete man Kühlschmierstoff (KSS), der zwar beim Zerspanen die Erwartungen erfüllte, indem er die Reibung minderte und Wärme abführte, dessen Reste aber nach dem Prozess mit großem Aufwand wieder entfernt werden mussten.
»Die fertiggefrästen Profile wurden zunächst an ein Rack direkt an der Maschine angestellt, sodass die Flüssigkeit ablaufen konnte«, erläutert Benjamin Schwerdt, Abteilungsleiter Zerspanung bei Bahr. »Danach musste ein Mitarbeiter mit Lappen und Reinigungslanze manuell das restliche Fluid samt Spänen aus dem Profil entfernen. Allein diese Arbeit nahm je Profil gut fünfzehn Minuten in Anspruch. Zudem stieg die Gefahr von Reklamationen.«
Dieser Verlust an Effizienz im ansonsten gut durchgetakteten Prozess war für die Fertiger irgendwann nicht mehr hinnehmbar, und sie suchten nach einer Lösung ohne KSS. Tests mit minimalen Fluidmengen brachten nicht die erhofften Ergebnisse; die Gefahr, dass der Fräser ›frisst‹, blieb bestehen.
Dass sich eine Lösung mithilfe der Werkzeugtechnik ergeben würde, konnten die Zerspanprofis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Allerdings richtete Benjamin Schwerdt durchaus sein Augenmerk auf die Fräser, denn seit er vor gut zweieinhalb Jahren die Verantwortung für die Zerspanung übertragen bekam, bestand eine seiner Aufgaben darin, das Toolmanagement zu verschlanken und aus Fortschritten der Werkzeugtechnologie Kostenvorteile für seine Abteilung abzuleiten.
Alu-Fräsen ohne Kühlschmierstoff − das muss doch möglich sein!
Anregungen erhoffte sich Schwerdt von einem Besuch der EMO in Hannover im Herbst 2019. »Meine bisherigen Nachfragen bei Werkzeugherstellern mündeten in die Aussage: Alu-Bearbeitung ist nur mit Kühlschmierstoff möglich«, so der Abteilungsleiter. »Deshalb wollte ich wissen, wie die Hersteller auf der Messe die Machbarkeit bewerten.«
Zur Seite stand ihm Malte Wagner, bei der Firma Torus Tec in Bad Salzuflen im technischen Vertrieb tätig und seit zweieinhalb Jahren sein Technologie- und Lieferpartner. »Ich wusste, dass der chinesische Werkzeugspezialist ZCC Cutting Tools, dessen Produkte wir seit gut vier Jahren vertreiben, einiges an interessanten Zerspanlösungen parat hat«, so der Maschinenbautechniker. »Bei Bahr hatten wir mit Drehplatten des Herstellers schon viel erreicht.«
So habe man mit Drehplatten der Ausführung YB6315 Zerspanprozesse derart ausgelegt, dass nun wechselnde Werkstoffe wie Stahl und Edelstahl ohne umzuspannen mit ein und derselben Platte bearbeitet werden konnten. Damit hatte sich die Standzeit teilweise verzehnfacht, und täglich ließ sich gut eine Stunde Rüstzeit einsparen.
Dieser Erfolg beim Drehen war ein Grund dafür, dass sich Benjamin Schwerdt auch gegenüber Neuem zum Fräsen von ZCC Cutting Tools offen zeigte und dem Tipp seines Partners zu einem Standbesuch folgte. Ihm lag auch auf der Seele, dass noch eine Tool-Innovation fehlte, die einen Ersatz bisheriger Fräser gerechtfertigt hätte. »Die Möglichkeit der Trockenbearbeitung wäre eine solche Innovation gewesen, so Schwerdt. »Die Gestaltung des ZCC-CT-Stands auf der EMO stimmte mich zuversichtlich, dass ich hier fündig werden könnte.«
Für Anna-Lena Kirchenbauer, Projektmanagerin Marketing Communications bei ZCC-CT, ist diese Aussage Beleg dafür, dass das von ihr mit entwickelte neue Standkonzept die Erwartungen erfüllte. »Statt wie bisher unser Angebot in der Breite der Verfahren zu präsentieren, hatten wir diesmal unsere Werkzeug-Highlights gemäß ISO-Materialgruppen angeordnet«, so die studierte Medienfachfrau.
Es folgten ausführliche Gespräche rund um die Aspekte einer Trocken- bearbeitung bei Bahr, die zu dem Entschluss führten: Ja, wir versuchen es.
Dennis Hollenberg war auf der EMO und ist bis heute als Product Manager Solid Carbide Tools bei ZCC Cutting Tools der Ansprechpartner für Bahr und Torus Tec. Als ein Problem erkannte er sofort die Art des Werkstoffs. »Mit Si05 handelt es sich bei Bahr um eine Aluminiumsorte, die beim Spanen schnell schmiert«, so Hollenberg. »Das heißt, die Wärme schmilzt den Werkstoff schnell an, und die Spanräume des Werkzeugs setzen sich zu.«
Im Laufe umfangreicher Versuche bei Bahr habe man zahlreiche Parameter angepasst und mehrere Frässtrategien ausprobiert. »So haben wir die Spiralwinkel modifiziert und sind entgegen der Lehrmeinung zu einer Art HSC-Strategie übergegangen, wählten also kleine Zustellungen und hohe Vorschübe. Im Endeffekt gelang es uns tatsächlich, diese speziellen Fräsprozesse komplett trocken zu realisieren, und das prozesssicher«, so Hollenberg.
Einschneider und Dreischneider decken die Trockenbearbeitung ab
Gelungen ist das mit zwei ZCC-CT- Fräsern: einem Einschneider aus der Serie AL-1E mit großer Spankammer und robuster Kohlenstoffbeschichtung KMD401, der wenig Druck ausübt und sich somit zum Fräsen kleiner Nuten eignet, und einem Dreischneider ALG-3E, ebenfalls mit KMD401 beschichtet, der bei Bahr von 6 bis 12 mm Durchmesser verwendet wird. Dennis Hollenberg: »Wegen der großen Spankammer, des Schälschnitts und der Beschichtung konnten wir mit dem 3-mm-Einschneider eineinhalb Zehntel Zahnvorschub fahren; mit einem üblichen Zwei- oder Dreischneider wäre das nicht möglich gewesen.«
Der erste, zunächst gar nicht primär angestrebte Effekt: Die reine Fräszeit halbierte sich. Doch noch wichtiger war die Folgewirkung. Malte Wagner von Torus Tec: »Weil wir so schnell fräsen konnten, wurde die meiste Wärme mit den Spänen abgeführt. Die Spanräume blieben frei, und das Werkzeug verklebte nicht mehr.« Die ersehnte Trockenbearbeitung war somit real geworden.
Benjamin Schwerdt bringt es auf den Punkt: »Früher dauerte das Fräsen eine Minute und das Reinigen eine halbe Stunde. Jetzt fräse ich dreißig Sekunden, und der Reinigungsprozess entfällt.« KSS muss hierfür nicht mehr beschafft und entsorgt werden.
Stefan Krüger verweist auf weitere positive Effekte der ›Trockenlegung‹: »Weil wir deutlich weniger Fluid verwenden, ist die Gesundheit unserer Beschäftigten besser geschützt. Und Zertifizierungen wie die nach der strengen DIN 14001 fallen uns deutlich leichter.« Das nächste Ziel bestehe darin, die Kühlmitteltanks an der Maschine und − wenn weitere ZCC-CT-Tools eingesetzt werden − auch bei anderen Maschinen zu verkleinern oder sogar zu entfernen.
Alle Beteiligten sind zu Recht stolz auf die von ihnen kreierte Werkzeug- lösung. Allerdings gibt Dennis Hollenberg zu bedenken: »Die Trockenbearbeitung von Aluminium funktioniert natürlich nur, wenn wie hier relativ kleine Spanvolumina abzutragen sind und die Rüstzeiten demgegenüber relativ lang. Bei langen Eingriffszeiten ist bislang weiterhin KSS erforderlich.«
Für Stefan Krüger von Bahr Modultechnik fällt die Bilanz der Teamarbeit jedenfalls eindeutig aus: »Diese Umstellung von nass auf trocken ist für uns ein Mega-Gewinn. Ich kann nur jedem Praktiker mit ähnlich gelagerten Zerspanaufgaben empfehlen, sich diese Fräser näher anzusehen.«
Information & Service
Hersteller
Bahr Modultechnik wurde 1990 von Frank und Dirk Bahr in Porta Westfalica gegründet; sieben Jahre später zog man nach Luhden um. Die Firma wuchs stetig. So wurden Montage und Lager erweitert, und es entstand ein moderner Showroom. Heute fertigt Bahr mit 84 Beschäftigten auf rund 5000 m2 Fläche für mehr als 13 Millionen Euro jährlich kundenindividuelle Linearachsen aller Art mit Zahnriemenantrieb, Spindelantrieb, Zahnstangenantrieb, Linearmotoren oder ohne Antrieb. In den 30 Jahren des Bestehens wurden mehrere tausend Projekte realisiert, meist kundenindividuell und ab Losgröße 1. Mehr als 600 Kunden, davon 85 Prozent Bestandskunden, profitieren von der kurzen Lieferzeit, die zwei bis drei Wochen beträgt. Jüngstes und zugleich größtes Projekt ist ein angetriebenes Linearsystem zur Automation, das maximal 200 kg schwere Teile bis 13 m weit bewegt und bis zu vier Bearbeitungszentren be- und entlädt.
Bahr Modultechnik GmbH 31711 Luhden Tel. +49 5722 9933-0 www.bahr-modultechnik.de
ZCC Cutting Tools Europe GmbH 40472 Düsseldorf Tel. +49 211 989240-0 www.zccct-europe.com
Torus Tec GmbH 32107 Bad Salzuflen Tel. +49 52 22 9 60 29-0 www.torustec.de