Digitales Toolmanagement

„Jetzt zählt die Qualität der Daten“

Innerhalb zweier Dekaden hat sich der Aalener Präzisionswerkzeug-Spezialist Mapal auch beim Toolmanagement zu einem Top-Anbieter entwickelt und ist in seinem Kernmarkt Automotive führend. Mit der Open-Cloud-Lösung c-Com haben die Aalener 2017 einen großen Schritt gemacht in Richtung Digitalisierung. Wie ist der Hersteller seitdem vorangekommen? Wie reagiert er auf aktuelle Trends in der Werkzeugverwaltung? Auf diese Fragen und andere antwortet im WB-Interview Sebastian Kreller, Global Head of Tool Management bei Mapal.
21. Februar 2023
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© Hanser
Das Interview führte Frank Pfeiffer
Werkstatt+Betrieb: Herr Kreller, wie haben sich die Anforderungen der Fertigungsindustrie an das Toolmanagement innerhalb der vergangenen fünf Jahre verändert?
Sebastian Kreller: In diesem kurzen Zeitraum hat sich eine so rasante Entwicklung in unserem Umfeld vollzogen, wie wohl selten zuvor. Der technische Aspekt ist allerdings nur einer von mehreren. Bekanntlich sah und sieht sich die Industrie mit Umständen konfrontiert, die sie bislang noch nicht kannte. Das sind die Pandemie, globale Zulieferausfälle und jüngst der Ukraine-Krieg. Hinzu kommen solche, die sich im Übermaß verstärkten wie die Inflationsrate mit ihrem Einfluss auf die gewerblichen Preise oder der Umbau in der Automobilindustrie, unserem Kernmarkt, der sich aus dem Übergang zur Elektromobilität ergibt. All das hat sämtliche Teilprozesse der Fertigung verändert und ganz besonders solch übergreifende wie das Toolmanagement.
WB: Wie äußert sich das konkret?
Kreller: Zum einen wirkt es sich zwangsläufig negativ auf das Produktionsvolumen und damit den Verbrauch aus, wenn in einem zentralen Industriezweig wie der Automobilindustrie der Absatz stagniert oder zurückgeht und zugleich ein tief greifender Strategiewechsel stattfindet. Die Branche und ihre zahlreichen Zulieferer investieren dann weniger in bestehende Produktlinien und wenn, dann sporadischer. Zum anderen investieren jene, die es können, deutlich mehr in Zukunftstechnologien, denn nur mit ihnen kann man dem stetig steigenden Kostendruck begegnen, der weltweit, aber vor allem in einer Hochlohnregion wie unserer, spürbar ist. So werden große Neuprojekte überwiegend mit externen Toolmanagement-Lösungen ausgeschrieben. Das wiederum kommt uns entgegen, denn wir bieten diese Lösungen an.
WB: Wie hat sich das auf das Geschäft bei Mapal ausgewirkt?
Kreller: Wir sind gemeinsam mit der gesamten Mapal-Gruppe gewachsen und haben dabei den Umsatzanteil des Toolmanagements in den letzten Jahren auf mehr als zehn Prozent steigern können.
WB: Welche Veränderungen gab es im Kundenspektrum?
Kreller: Lassen Sie mich zunächst auf den Automobilsektor eingehen, auf den nach wie vor rund 80 Prozent unseres Umsatzes im Toolmanagement entfallen. In Ländern wie Italien oder Polen, in denen vorrangig Volumenproduktion stattfindet, waren Umsatzrückgänge zu verzeichnen. Doch überall dort, wo Komponenten für Premiumfahrzeuge hergestellt werden, haben wir ein überdurchschnittliches Wachstum. Was die Firmengröße betrifft, so sind Zulieferer der ersten und zweiten Ebene wie Bosch, ZF oder Hitachi nach wie vor die Basis unseres Geschäfts. Doch der Umsatzanteil, den wir mit den großen OEM erwirtschaften, hat sich auf etwa ein Drittel verdreifacht.
WB: Worauf ist das zurückzuführen?
Einerseits auf den Umstand, dass im Ausland neu errichtete Werke von Beginn an mit unseren Systemen ausgestattet werden, weil man damit zukunftssicher aufgestellt ist. Andererseits ist bei den OEM im Zuge der Umgestaltung ihrer Wertschöpfungsketten die Bereitschaft gestiegen, bislang als Schlüsseltechnologien betrachtete Arbeitsgänge nach extern zu verlagern. Und nicht zuletzt liegt es an der Strategie von Mapal, immer besser auf die Kundenbedürfnisse abgestimmte Lösungen zu implementieren.

“Auf die Zunahme der Flexibilität und der Dynamik reagieren wir mit Lösungen, bei denen die Informationen noch schneller als bisher verfügbar sind”

WB: Und was hat sich bei der Fertigung im engeren Sinne geändert?
Kreller: Da geht der Trend weg von großen Fertigungssystemen mit vielen Werkzeugmaschinen hin zu kleinen, flexiblen Einheiten. Und die Losgrößen sinken weiter. Auf die damit verbundene Zunahme der Flexibilität und der Dynamik reagieren wir mit Lösungen, bei denen die Informationen noch schneller als bisher verfügbar sind.
WB: Wo sind Sie besonders präsent?
Kreller: Mehr denn je kommt es beim Implementieren eines effizienten Toolmanagements auf eine enge Bindung mit dem Kunden an; es muss viel Vertrauen vorhanden sein. Moderne Services rund um Konsignationslager oder Cost-per-Part-Modelle erfordern das. Deshalb sind wir dort besonders stark, wo wir auch Niederlassungen betreiben. Aber weil Mapal inzwischen einen globalen Footprint hat, sind selbst komplexe Toolmanagement-Lösungen quasi überall auf der Welt realisierbar.
WB: Mit c-Com wurde Mapal zu einem Pionier des digitalen Toolmanagements. Haben sich Ihre Erwartungen in puncto Marktakzeptanz erfüllt?
„Mehr denn je kommt es beim Implementieren eines effizienten Toolmanagements auf eine enge Bindung mit dem Kunden an; es muss viel Vertrauen vorhanden sein“© Hanser
Kreller: Zum Teil ja, zum Teil ist noch viel Potenzial ungenutzt. Positiv schlägt zu Buche, dass die Cloud als Mittler zwischen den verschiedenen Prozesskomponenten inzwischen etabliert und akzeptiert ist. Die veränderte Arbeitsweise im Zuge der Corona-Pandemie hat hierzu sicher einen Beitrag geleistet. Vor allem große Kunden haben die digitale Architektur längst verinnerlicht. Wie erwähnt, ist bei Green-field-Projekten, also der Neuinstallation, ein digitales Toolmanagement schon Standard. Davon profitieren wir.
WB: Und wie ist die Situation bei eher kleinen Unternehmen, den KMU?
Kreller: Durch den Krisenmodus ist bei vielen von ihnen die Bereitschaft gesunken, neue Wege zu gehen. Hinzu kommt, dass sie generell eher konservativ agieren. Doch auch bei ihnen gewinnen wir mehr und mehr an Terrain. Schließlich erfordert der Facharbeitermangel auch bei KMU eine Konzentration auf Kernkompetenzen und ein Auslagern nicht wertschöpfender Tätigkeiten. Kürzer werdende Anlaufzeiten von Neuprojekten fordern ebenso mehr Flexibilität wie aktuelle Finanzierungs- und Beschaffungsmodelle. Wir wiederum müssen bei diesen Kunden dem Umstand Rechnung tragen, dass unsere Systeme in vorhandene, oft lange in Betrieb befindliche und stark variierende Produktionslandschaften eingeführt werden müssen. Kein Toolmanagement gleicht dort dem anderen. Um bei der damit einher gehenden Schnittstellenvielfalt die Kosten im Rahmen zu halten, bedarf es viel Know-hows. Wir haben es und können Händlern und kleinen Integratoren preislich durchaus Paroli bieten.
WB: Wie kann man KMU noch besser an digitale Lösungen heranführen?
Kreller: Indem man noch stärker auf ihre Bedürfnisse eingeht. Wir räumen diesem Thema eine hohe Priorität ein. Seit c-Com 2017 erstmals vorgestellt wurde, haben wir das Angebot den Bedarfsprofilen unserer Kunden immer gezielter angepasst. So bieten wir aktuell beim digitalen Toolmanagement eine Standardlösung an, die bei hoher Kostenstringenz Durchgängigkeit von der Schneide über den Werkzeughalter, das Einstellgerät und das Ausgabesystem bis zum PPS-System und schließlich der Cloud sicherstellt. Neue Features wie der digitale Shopfloor kamen hinzu, bei dem der Endkunde in seinem Shopfloor-Management die relevanten Daten ad hoc abrufen und verwerten sowie Rückfragen stellen kann. Das dürfte auch für kleinere Unternehmen interessant sein. Außerdem haben wir unsere Reportinglösungen gemäß dem Kundenbedarf optimiert.
In dieser Roadmap spiegelt sich die Bandbreite wider, in der Mapal kundenindividuelle Lösungen gestaltet. Sie reichen vom einfachen Ausgabeschrank bis zum Toolmanagement-System 4.0 mit Anbindung an die Cloud© Mapal
WB: Woran arbeiten Sie aktuell?
Kreller: Ende des vergangenen Jahres haben wir ein internes Projekt gestartet mit dem Ziel, unsere Geschäftsmodelle noch besser gemäß dem Bedarf von KMU zu erweitern und anzupassen. Es geht darum, dass der Vertrieb kostengünstige, aber die Produktivität steigernde Standardlösungen anbieten kann, die der Anwender vor Ort selbst betreibt. Die Transparenz, die c-Com inzwischen erreicht hat, ermöglicht das. Wir wollen die Einstiegshürde für KMU deutlich niedriger legen. Der Kunde beginnt zum Beispiel mit einer kleinen Lösung und erweitert diese dann später je nach Bedarf.
WB: Worauf kommt es bei der weiteren Entwicklung digitaler Lösungen an?
Kreller: Wir müssen einerseits die vorhandenen Lösungen vereinfachen und sie höher automatisieren, aber andererseits die Verwertbarkeit der vielen Daten, die wir bereits gewonnen haben, verbessern. Es muss klarer definiert werden, was mit ihnen erreicht werden soll. Machining Analytics wird zukünftig im Fokus sein, auch das Reduzieren von Schnittstellen und die Verbesserung der Fähigkeit, kundenindividuelle Lösungen zu erarbeiten. Dass Daten gesammelt werden müssen, ist bekannt und funktioniert. Doch jetzt zählt die Qualität der Daten. Nur wenn sie stimmt, kann ich automatisiert, etwa mit künstlicher Intelligenz, Informationen zielführend auswerten. Mit den KI-basierten Machining Analytics Solutions von c-Com haben wir die Voraussetzungen, um auch an dieser Stelle die Kunden zu unterstützen.

“Wir wollen die Einstiegshürde für KMU deutlich niedriger legen”

WB: Was planen Sie für die Zukunft?
Kreller: Wir wollen die Performance unserer Lösungen weiter ausbauen, noch exakter maßgeschneiderte Systeme anbieten. Die Kunden benötigen hoch produktive Produktionsanlagen und Toolmanagement-Lösungen. Dazu muss das richtige Werkzeug in der richtigen Qualität zum richtigen Zeitpunkt in der Maschine sein. Sie benötigen Transparenz über Bestände, die Leistung der Werkzeuge und den Einfluss, den diese auf die Gesamtproduktivität haben. Diese Transparenz wollen wir weiter verbessern, auch bei bestehenden Fertigungen. Im Fokus stehen dabei nicht nur die angestammten Kundengruppen, sondern weitere Ziel-Marktsegmente wie der Werkzeug- und Formenbau, der allgemeine Maschinenbau und Fluid Power. Hier versprechen wir uns starke Wachstumseffekte. Wir sind zuversichtlich, dass wir unsere Ziele mit den Lösungen, die wir speziell im EMO-Jahr 2023 vorstellen, erreichen werden.
WB: Herr Kreller, vielen Dank für das Gespräch.
Information & Service

Hersteller

Mapal Präzisionswerkzeuge Dr. Kress KG
73431 Aalen
Tel. +49 7361 585-0