3D-gedruckte Sonderwerkzeuge

Werkzeug-Power für Champions

Dass das studentische ‘GreenTeam‘ der Uni Stuttgart Weltmeister im E-Rennsport wurde, ist der cleveren Autokonstruktion zu verdanken. Und Partnern aus der Werkzeugtechnik. So gestaltete Ceratizit eine Zerspanlösung, mit der das Finish additiv erzeugter Radträger gelang.
10. Mai 2022
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Maximilian Ziegler (rechts), beim GreenTeam der Uni Stuttgart Gesamtfahrzeugleiter Mechanik sowie verantwortlich für die Entwicklung der neuen, 3D-gedruckten Radträger, hier neben dem Modell E0711–11 EVO im Gespräch mit dem Ceratizit-Projekt- manager Tim Haudeck vom Global Project Engineering Team des Werkzeugspezialisten© Ceratizit
Erster Gedanke beim Thema Studenten? Überfüllte Hörsäle, spannungsarme Vorlesungen und Freizeit im Überfluss? Und dann noch ein Jahr Pause vom Studium nehmen? Was nach ‘Lenz‘ und Abschlussaufschub klingt, bekommt beim GreenTeam der Universität Stuttgart gleich ein ganz anderes ‘Geschmäckle‘: Denn insgesamt 70 Studenten widmeten sich ein ganzes Jahr lang ausschließlich einem vollelektrischen Rennwagen – von der Entwicklung über den Bau bis hin zur Teilnahme an der Formula-Student-Saison. Dass sich dieser zeitliche und personelle Aufwand auszahlt, belegen die Erfolge: Seit 2009 zählt das Team zu den Top 10 in der Welt und brach bereits zweimal den Weltrekord für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h. Hypercars wie ein Porsche 918 Spyder? Kennen den E-Renner aus Stuttgart am besten von hinten. Der jüngste Erfolg des Teams: In dieser Saison sicherten sie sich den 1. Platz in der Weltrangliste.

Vollelektrisch in Richtung Siegerpodest

Genau genommen sind es seit 2016 sogar zwei Autos, an denen die immer neu zusammengestellten Teams Jahr für Jahr arbeiten: ein konventionelles Modell mit Fahrer sowie ein Driverless-Fahrzeug, das dank Sensoren und künstlicher Intelligenz ohne direkten menschlichen Eingriff Rennen bestreitet. Für die Saison 2021 hatte sich das Team einmal mehr vorgenommen, der Konkurrenz davonzufahren. „Wir sind eines der besten Teams, weswegen der Sieg für uns alles bedeutet“, erklärt Maximilian Ziegler, der für die Gesamtfahrzeugleitung Mechanik sowie die Entwicklung der neuen Radträger verantwortlich ist. Eine Schlüsselrolle bei diesem Vorhaben kam laut Ziegler den neuen, additiv gefertigten Radträgern zu: „Mit ihnen bekommt unser Modell E0711-11 EVO enormes Potenzial, wobei besonders die Verlagerung der Elektromotoren in die Räder die Aerodynamik entscheidend verbessert.“
Der neue Radträger für das vollelektrische Rennauto nach seiner Fertigstellung im 3D-Drucker. Nun kommt es darauf an, mit einem geeigneten Werkzeug die anspruchsvolle Nachbearbeitung zu realisieren© Ceratizit

Knifflig und komplex: die Fertigung der Radträger

So fortschrittlich die neuen Radträger sind, so komplex ist deren Fertigung. „Daher waren wir für deren Produktion unbedingt auf das Wissen und die Erfahrung aus der Industrie angewiesen“, räumt Ziegler ein. Und so ging es gemeinsam mit den Experten für additive Fertigung von Renishaw zunächst daran, die Komponenten für den 3D-Druck zu optimieren. Doch die nächste Herausforderung lauerte schon, wie Ziegler erklärt: „Nach dem 3D-Druck brauchten wir eine Lösung, um einige Oberflächen zu bearbeiten.“ Doch die Suche war alles andere als einfach, schreckte die Aufgabe doch viele Firmen schon im Vorfeld ab: Die Kombination aus einem komplexen Bauteil mit Durchmesserwerten über 120 mm, geringen Wandstärken von unter 1 mm und engen IT6-Toleranzen an den zu bearbeitenden Innen- und Außenflächen war zu vielschichtig. Nach intensiver Recherche kontaktierte Max Ziegler schließlich Ceratizit. Für deren Global Project Engineering Team gehören komplexe Zerspanungslösungen für anspruchsvolle Automotive-Kunden immerhin zum alltäglichen Geschäft. Ceratizit-Projektmanager Tim Haudeck nahm die Herausforderung an. „Wir sind ständig mit den Grenzen des Möglichen konfrontiert und suchen immer wieder Lösungen, um solche Limits aus dem Weg zu räumen. Beim GreenTeam-Projekt konnten wir unser Know-how für die E-Mobility unter Beweis stellen“, so Haudeck.
Als Lösung erwies sich ein ebenfalls additiv hergestelltes Sonderwerkzeug von Ceratizit, mit dem die engen Toleranzen nicht zuletzt deshalb eingehalten werden konnten, weil sich das Bauteil komplett in einer Aufspannung fertigen ließ © Ceratizit
Gemeinsam mit dem GreenTeam und Renishaw analysierten Tim Haudeck und sein Team die Bauteile, die Anforderungen an den 3D-Druck sowie die Nachbearbeitung, um die Radträger weiter zu optimieren. Haudeck: „Uns war schnell klar: Mit einer Standardlösung würden wir kaum die geforderten Toleranzen einhalten.“

Die Lösung: U-Achse und 3D-Druck

Doch selbst mit einer Sonderlösung waren die Anforderungen hoch. „Für die Bearbeitung auf einer 5-Achs-Maschine mit HSK-63-Schnittstellte mussten wir die Unwucht reduzieren und das Gewicht minimieren. Ansonsten wären die geforderten Toleranzen nicht einzuhalten. Wo war der Ausweg? Ganz klar in einer additiv gefertigten Lösung“, so Haudeck weiter.
Um die IT6-Toleranzen zu schaffen, sollten alle wichtigen Durchmesser und Passungen in einer Aufspannung bearbeitet werden. Hierfür konstruierte das Engineering Team einen additiv gefertigten Aufsatz mit zwei Aufnahmen für Wendeschneidplatten und einem Schwingungsdämpfer, der auf eine U-Achse montiert wird. Das leichte, FEM-optimierte Design nimmt die bei der Zerspanung auftretenden Kräfte optimal auf, dank additiver Fertigung wurde sogar eine Kühlung direkt an der Schneide realisiert.
Messungen bestätigten: Das Werkzeug hat die Herausforderung ‘komplexes Bauteil mit über 120 mm Durchmesser und weniger als 1 mm Wandstärke bei engen IT6-Toleranzen an den zu bearbeitenden Innen- und Außenflächen‘ zufriedenstellend bewältigt© Ceratizit

Erstklassig dank additiv gefertigter Radträger

Den Entwicklungsprozess zu begleiten und die Bearbeitung des eigenen Bauteils zu verfolgen war auch für Maximilian Ziegler ein Highlight: „Die Arbeit mit Ceratizit und Renishaw war fantastisch: Alle kommunizieren auf Augenhöhe miteinander und teilen dieselbe Leidenschaft“, zeigt er sich nach der Fertigstellung des ersten Bauteils begeistert. Und hat sich denn der erhebliche Aufwand für die additiv gefertigten Radträger für das Team gelohnt? Ziegler: „Auf jeden Fall, konnten wir doch bei vier Rennen in der Saison 2021 in der Gesamtwertung zweimal den ersten und einmal den zweiten Platz abräumen. Das Auto ist so, wie wir es uns erträumen konnten. Für mich persönlich war aber auch die Zusammenarbeit mit Ceratizit super; es ist perfekt gelaufen.“
Auch wenn für das Global Project Engineering Team von Ceratizit um Projektmanager Tim Haudeck komplexe Zerspanlösungen für Automotive-Kunden zum Tagesgesgeschäft gehören, ist man doch auf diese Lösung besonders stolz© Ceratizit

Innovative Lösungen für Automotive-Kunden

Für Tim Haudeck ist das GreenTeam-Projekt ein Aushängeschild dafür, was moderne Fertigungsverfahren in Verbindung mit dem Know-how der Ceratizit-Mitarbeiter leisten können. Haudeck: „Komponenten wie der Radträger des GreenTeams hätte man noch vor ein paar Jahren überhaupt nicht herstellen können. Erst durch die additive Fertigung und das notwendige Know-how sind solche Teile realisierbar. Mit unserer Erfahrung in der Automotive- und E-Mobility-Branche sowie mit unserem Global Project Engineering-Team sind wir für die Anforderungen der Automobilindustrie bestens aufgestellt.“
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