Kühlschmierstoff und Fräsergebnis

Reines Fluid, feine Oberfläche

An der Hochschule Furtwangen wurde untersucht, wie Schwebstoffe im Kühlschmierstoff beim Aluminiumschlichtfräsen die Oberflächenqualität beeinflussen. Versuchsfräser war der ‘Cut&Form‘ von Emuge-Franken, der polierte Oberflächen in einem Arbeitsgang erzeugt.
26. November 2021
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Das Team an der Versuchsmaschine (von links): Projektleiter Jürgen Struß und Student Mohamed Laadhari, beide vom KSF der Hochschule Furtwangen, Norbert Fleck von IDV Engineering, und Michael Sischka von Emuge-Franken© Emuge-Franken/Wolfgang Bahle
Bei den Zerspanungswerkzeugen wurden Schneidengeometrien, Beschichtungen oder Substrate im Laufe der Zeit immer raffinierter. So ‘verlagerte‘ man Aufgaben wie die Reibungsminderung und das Verhindern von Überhitzung, die bisher dem Kühlschmierstoff (KSS) vorbehalten waren, in das Werkzeug selbst. Schlagworte sind hier Minimalmengenschmierung (MMS) und Trockenzerspanung, die sich vom Nischendasein zu einer breit eingesetzten Technik entwickelt haben.
Doch nach wie vor hat der klassische KSS eine große Fangemeinde, und natürlich gibt es zu ihm vielfach noch keine Alternative. Doch lässt sich mit modernen Hightech-Tools unter Verwendung von KSS dauerhaft das gleiche Bearbeitungsergebnis erzielen wie etwa mit MMS? Diese Frage sollte ein Projekt der Hochschule Furtwangen University (HFU) im Rahmen einer Bachelorarbeit klären. Projektbeteiligte waren der fränkische Werkzeughersteller Emuge-Franken sowie IDV Engineering aus dem oberbayerischen Tacherting. Dort hat man sich auf Entwicklung und Herstellung von KSS-Filteranlagen mit hoher Partikelrückhaltung spezialisiert.
„Oberstes Ziel war es herauszufinden, wie sich die zunehmende Verschmutzung des Kühlschmierstoffs und damit eine stärker werdende Partikelbelastung auf den Fräsprozess beim Bearbeiten von Aluminium auswirkt“, erklärt Projektleiter Jürgen Struß vom Kompetenzzentrum für Spanende Fertigung (KSF) in Tuttlingen die Ausgangslage. „Untersucht wurde ebenfalls, welchen Einfluss eine Mikrofiltration des Kühlschmierstoffs auf das Bearbeitungsergebnis hat.“ Am KSF, das organisatorisch zur Hochschule Furtwangen gehört, fanden auch die Versuche statt.
Basis des Versuchsaufbaus im dreiachsigen Müga-Center R4530 mit Fräser Cut&Form von Emuge-Franken am KSF in Tuttlingen. Untersucht wurde hier der KSS-Einfluss beim Alu-Schlichten© Emuge-Franken/Wolfgang Bahle

Der Clou: Spanend schlichten und spanlos glätten

Bearbeitungsergebnis war in diesem Fall die poliergefräste Oberfläche einer Alu-Legierung (AlMgSi1). Dieser Werkstoff wurde gewählt, weil als Versuchswerkzeug mit ‘Cut&Form‘ ein noch nicht allzu lange am Markt erhältlicher Hartmetall-Schaftfräser zum Einsatz kam, der über eine äußerst ungewöhnliche Werkzeuggeometrie verfügt.
Der in zwei Baulängen erhältliche Fräser ist für das Erzeugen von Design- oberflächen bei Nichteisenmetallen ausgelegt, neben Alu-Legierungen also auch Kupfer und Kupferlegierungen. „Die patentierte Werkzeuggeometrie dieses Fräsers kombiniert drei Schneiden mit drei nachgelagerten Drückstegen. So wird das Werkstück erst spanend geschlichtet und anschließend spanlos geglättet“, beschreibt Michael Sischka von Emuge-Franken die Funktionsweise dieses Hochleistungswerkzeugs zum Schlichten. „So entstehen in einem einzigen Arbeitsgang polierte und verdichtete Oberflächen mit Rauheitskennzahlen von N1 bis N3.“ Oberflächen-Nacharbeit kann also entfallen.
Der Cut&Form ist sowohl für MMS als auch für die Verwendung von KSS ausgelegt. „Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass sich zwar polierte Oberflächen unter MMS-Bedingungen problemlos herstellen lassen, mit KSS aber nur, wenn dieser mikrofiltriert und damit partikelfrei ist.“ Weil dieses Phänomen sich hier so eindeutig gezeigt habe, sei dieser Fräser ausgewählt worden.
Wie wurde nun vorgegangen? „Um später den Einfluss der Kühlschmierstoff-Verschmutzung auf die Oberflächenergebnisse untersuchen zu können, mussten wir zuvor die optimalen Prozessparameter für den Cut&Form ermitteln“, erklärt Mohamed Laadhari, Studierender in Furtwangen, der die Versuche im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit gefahren hatte. „Diese Parameter- oder Benchmark-Studie umfasste das Gleichlauf- und Gegenlauffräsen sowie variierende Schnittparameter bei einem neuen Werkzeug. Und zwar unter den Bedingungen der 1-μm-Filtration, also mit sauberem Kühlschmierstoff.“ Schließlich müssten diese Prozessparameter ja nicht notwendigerweise mit den Angaben des Werkzeugherstellers übereinstimmen.
Deshalb war neben der Versuchsmaschine, einem dreiachsigen Müga-Center R4530, eine EM 5000-VA-Filteranlage von IDV Engineering installiert worden. Deren kompakteBauweise ermöglicht eine risikolose, schnelle Montage ohne Eingriff in die Steuerung.
Eine Eigenschaft dieser Neuentwicklung ist die hohe Partikelrückhaltung von 1 µm, die mit der Standard-Filterpatrone erreicht wird. „Das bedeutet, alle Partikel, die größer als ein Mikrometer sind − egal, ob feine Späne oder Bakterien − werden aus dem Kühlschmierstoff herausgefiltert“, erklärt Norbert Fleck, der auch zu den Projektunterstützern zählte. Der studierte Ingenieur sowie Gründer und Chef von IDV hatte das System vor rund fünf Jahren selbst entwickelt. Damit sei die Mikrofiltration auch hoch wirksam gegen Bakterien, Hefen und Schimmel.
Stirnansicht des Cut&Form mit wechselnder Anordnung von Schneiden zum spanenden Werkstofffabtrag (rot) und von Drückstegen zur spanlosen Werkstoffverdichtung sowie zur Erzeugung polierter Oberflächen (grün)© Emuge-Franken
In speziellen Fällen kann auch noch feiner, bis zu 0,2 µm, filtriert werden. Fleck: „Wir verwenden hierbei eine erprobte, robuste und kostengünstige Technologie aus der Chemie- und Lebensmittelindustrie, die eine klassische Bandfilteranlage oft ersetzen kann.“ Hinzu komme, dass Partikel von weniger als 25 µm von Bandfiltern nicht zuverlässig erfasst werden. „Partikel in diesem Größenspektrum sind jedoch für so gut wie alle Probleme, die bei der Kühlschmierstoffpflege auftreten, zumindest mitverantwortlich.“ Durch die feine 1-µm-Filterung könne man in der Emulsion sogar weitgehend auf Konservierungsmittel verzichten.
Bei den Versuchen am KSF diente als Kühlschmieremulsion mit AquaTec 7650 (Oelheld) ein mineralölhaltiges Konzentrat. Die Einsatzkonzentration bei der Alu-Zerspanung liegt hier zwischen 8 und 10 Prozent. Zur Ermittlung der Zerspankräfte diente eine Kraftmessplatte (Kistler 9255B), die zwischen Schraubstock und Maschinentisch befestigt war. Die Oberfächenrauheit wurde mit einem Taster von Jenoptik (Hommel-Etamic W10) gemessen.
Im Benchmarktest beim Stirn-Umfangs-Planfräsen im Gleichlauf verwendete Mohamed Laadhari anfangs die von Emuge-Franken empfohlenen Schnittparameter. Bei der Untersuchung kamen nacheinander die Fräserdurchmesser 10 sowie 12 mm zum Einsatz, wobei bei allen Werkzeugen die Toleranz von 10 µm beim Rundlauf der Schneiden geprüft wurde. „Dabei hatte sich herausgestellt, dass bei unserem Versuchsaufbau die Rauheitswerte mit einem Mittenrauwert von Ra 0,05 µm und einer gemittelten Rautiefe von Rz 0,39 µm beim Gleichlauffräsen sogar deutlich besser waren als die, die von Emuge-Franken angegeben werden.“
Danach wurde die Schnittgeschwindigkeit in mehreren Stufen reduziert. Das Verringern der Schnittgeschwindigkeit vc von 315 auf 290 m/min beeinflusste den Prozess kaum; die Rauheitswerte blieben gleich. Bei einem vc von nur noch 270 m/min wurde die Oberfläche mit Ra 0,2 µm und Rz 1,08 µm dann deutlich rauer. „Es darf mit diesem Fräswerkzeug also eine bestimmte Schnittgeschwindigkeit nicht unterschritten werden“, fasst Jürgen Struß das Ergebnis zusammen. „Es wäre interessant zu wissen, warum bei niedrigeren Schnittgeschwindigkeiten der Umformvorgang nicht mehr gut funktioniert“, so der Projektleiter.
In weiteren Versuchen wurde die Schnittgeschwindigkeit schrittweise auf 380 m/min erhöht. Die Rauheit blieb dann aber stets konstant, auch bei kleinerer oder größerer Zustellung. Laadhari: „Der Benchmark hat gezeigt, dass die von Emuge-Franken angegebenen Schnittdaten weiterzuempfehlen sind.“
Beim Vergleich zwischen Gleichlauf- und Gegenlauffräsen gab es einen klaren Verlierer. „Beim Gegenlauffräsen zeugten die gemessenen Zerspankräfte und die schlechten Rauheitswerte von einem instabilen Prozess“, so Laadhari. Beim Gleichlauffräsen sei hingegen bei allen Schnittwerten der Prozess stabil geblieben, und es wurden feinere und glattere Oberflächen erzielt.
Mit dem Digital-Mikroskop Keyence VHX-5000 erfassten die Forscher die auf den Filtrationsmembranen abgelagerten Partikel. Dabei wurden die Bilder gestitcht, das heißt, aus verschiedenen Einzelbildern zusammen- gesetzt© Emuge-Franken/ Wolfgang Bahle

Dem Thema Mikrofiltration sollte man eine hohe Priorität einräumen

An diesem Punkt war also der Ausgangszustand definiert, und es konnte mit der gezielten Verschmutzung des KSS begonnen werden. Damit der Einfluss von Schwebstoffen nachgewiesen werden konnte, musste ein definierter Verschmutzungsgrad erzielt werden. „Um die Emulsion gezielt zu verschmutzen, haben wir den Filtereinsatz aus dem Gehäuse herausgenommen und in einzelnen Stufen Graugusswürfel mit einem Wendeplattenwerkzeug so bearbeitet, dass Mikrospäne entstehen“, erklärt Filterspezialist Norbert Fleck. „Das gibt einen schönen Dreck in der Maschine, was ja so gewollt war.“
Für die präzise Partikelauszählung wurde der stufenweise verschmutzte KSS filtriert, und die Schwebstoffe, die sich auf den Membranfiltern abgelagert hatten, wurden mit dem Digital-Mikroskop Keyence VHX-5000 untersucht. Dieses Mikroskop ermöglicht es, viele Einzelbilder zu einer Gesamtansicht zusammenzusetzen, um einen größeren Bereich mikroskopisch untersuchen zu können. Nach jeder Stufe, also nach eineinhalb, drei, sieben und neun zerspanten Graugusswürfeln wurden eine Rauheitsmessung der Oberflächengüte sowie eine optische Messung der Werkstückoberfläche vorgenommen.
„Die Messungen haben erwartungsgemäß gezeigt, dass der verschmutzte, unfiltrierte Kühlschmierstoff stark von Partikeln oder Schwebstoffen belastet war“, sagt Mohamed Laadhari. Die Versuche hätten zudem gezeigt, dass mit zunehmender Partikelmenge in der Emulsion die Oberflächenrauheit am Werkstück schlechter wird und sogar eine Beschädigung der Oberflächenstruktur durch Kratzer auftritt.
„Die verschmutzte Emulsion hat den Prozess mit dem Cut&Form-Fräser signifikant verschlechtert.“ Was genau hierfür verantwortlich sei, könne er nur mutmaßen meint Jürgen Struß. „Ich vermute, wenn sich Partikel in der Emulsion befinden, gelangen diese zwischen Umformkörper und Werkstück und werden dort durchgedrückt. Weil die Oberfläche reflexiv ist, sind Druckstellen allerdings schwer zu erkennen.“
Gezeigt habe die Testreihe auch: Sobald man die Partikel wieder aus der Emulsion entfernt, wird das alte Oberflächenergebnis wieder erreicht. „Dies macht deutlich, dass jeder, der Kühlschmierstoff verwendet, dem Thema Mikrofiltration eine hohe Priorität einräumen sollte.“
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