Fräswerkzeuge in der Medizintechnik
Optimiert fräsen im Dentallabor
GoodBionics Biotechnologie forscht an neuen Implantaten und sucht auch im Zahntechniklabor stets nach innovativen Methoden des Fertigens. Gemeinsam mit dem Werkzeugpartner Hufschmied gelang der Beweis, dass es sich lohnt, kritische Zerspanprozesse zu optimieren.
4. Dezember 2024
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Üblicherweise ist die spanende Bearbeitung von Zirkoniumdioxid, Cobalt-Chrom, Titan, PMMA und anderen branchentypischen Werkstoffen in Dentallabors von Komplettlösungen geprägt. Die betreffenden Systemanbieter liefern zu den Werkzeugmaschinen meist gleich vielseitig verwendbare Universal-Präzisionswerkzeuge mit. Jedoch bedeutet diese übliche Praxis nicht, dass in der Dentalbranche keine Optimierung der Zerspanprozesse möglich wäre.
Ein wissenschaftlicher Vergleichstest von Dentaltechnik-Werkzeugen für die Zirkoniumdioxid-Bearbeitung an der Hochschule Augsburg ergab im Jahr 2020, dass die Auswahl der Fräswerkzeuge einen signifikanten Einfluss auf die Qualität der Ergebnisse und die Effizienz der Bearbeitung hat. Das speziell für dieses Material optimierte Werkzeug der Hufschmied Zerspanungssysteme GmbH ging als Sieger aus den Benchmarks hervor.
Dental-Know-how geht einher mit Maschinenbau-Interesse
Die GoodBionics Biotechnologie GmbH im bayerischen Mauerstetten forscht an neuen Implantaten und strebt auch in ihrem eigenen Zahntechniklabor permanent nach innovativen Methoden der Fertigungstechnik. Dass nun Hufschmied als auf werkstoffspezifische Präzisionswerkzeuge fokussierendes Unternehmen mit seinen Produkten und seinem Beratungsansatz bei GoodBionics auf offene Ohren stieß, ist kein Zufall. „Ich gebe zu: Wir haben ein gewisses Maschinenbau-Interesse“, verrät Benjamin Schick, Geschäftsführer von GoodBionics. „Unseren alten KaVo-Everest-Fräsapparat haben wir zum Beispiel weitreichend modifiziert und mit neuen Antrieben versehen. Doch seit wir uns ein Ultrasonic-Fräszentrum von DMG Mori geleistet haben, wollen wir erst recht die technischen Möglichkeiten ausreizen.“
Nach dem ersten Kontakt über den technischen Vertrieb des Werkzeugherstellers besuchte Michael Mödinger, einer der Anwendungstechniker und CAM-Programmierer bei Hufschmied, GoodBionics. Das Dentallabor unweit von Kaufbeuren arbeitete bisher wie üblich viel mit den Standard-Templates in ‘HyperDent‘, aber: „Ein optimaler Fräsprozess erfordert ein Werkzeug, das zum Material passt, sowie Werkzeugwege und Schnittparameter, die die Möglichkeiten der Maschine optimal nutzen; das legt man am besten im CAM-Programm an“, so Mödinger.
„Michael Mödinger hat uns über etwa ein viertel Jahr hinweg immer wieder besucht und uns geholfen, die Parameter zu optimieren“, berichtet Melanie Keller, eine Zahntechnikerin, die sich bei GoodBionics zur CAD/CAM-Spezialistin entwickelt hat. „Wir haben auch Standzeittests durchgeführt und wissen daher sehr genau, wie lange wir die Hufschmied-Werkzeuge jeweils einsetzen können.“
Für jeden Werkstoff hat Hufschmied das bestgeeignete Werkzeug
Ein bekanntes Problem beim Bearbeiten von Kunststoff in der Dentaltechnik ist das ‘Zuschmieren‘ der Werkzeuge. Mit dem Hufschmied-Fräswerkzeug ‘110FPRDTA‘ wird genau das vermieden. Die spezielle einschneidige Geometrie des Fräsers bewirkt, dass sich das Thermoplast beim Spanen nicht zu sehr erhitzt. So konnte bei GoodBionics die Bearbeitungszeit von Zahnschienen gegen nächtliches Zähneknirschen mit geänderten Schnittparametern um rund 30 Prozent verkürzt werden, und die Ergebnisse waren passgenauer. Sowohl die Vorgaben für die Drehzahl als auch für Vorschub und Zustellung wurden in den HyperDent-Templates geändert.
Bei der Bearbeitung von Cobalt-Chrom, aus dem das Dentallabor Brücken, Kronengerüste, Backenzahnkronen, Stege, Abutments und Teleskopprothesenteile herstellt, traten früher häufig Werkzeugbrüche auf. Mit dem ‘HC634DTA‘, einem vierschneidigen Werkzeug aus der ‘Dental Line‘ von Hufschmied, konnten Maßhaltigkeit und Oberflächenqualität verbessert werden. Melanie Keller stellt fest: „Wir sparen ungefähr zehn Prozent Bearbeitungszeit ein und haben eine ungleich höhere Prozesssicherheit.“ Michael Mödinger erinnert sich: „Interessant war bei dieser Optimierung, dass wir uns weniger an Messwerten orientierten, wie wir das in anderen Branchen tun würden, sondern dass wir uns über Bearbeitungsproben an die Schnittwerte angenähert haben, die zu den besten optischen Ergebnissen führten.“
Die optische Erscheinung ist auch bei der Herstellung von Brücken und Kronen aus Zirkoniumdioxid wichtig. Der Werkstoff ist anspruchsvoll in der Zerspanung, sodass Standardwerkzeuge schnell verschleißen und dünne Strukturen leicht brechen. Doch das spezielle Hufschmied-Werkzeug hatte im Benchmark-Test an der Hochschule Augsburg selbst 0,1 mm dünne Zirkon-Zinnen in 54,17 Prozent der Fälle erfolgreich gefräst, wogegen sämtliche anderen Werkzeuge im Test nur sehr vereinzelt Erfolge oder gar keine Gutteile verzeichnen konnten.
Die langen Standzeiten und die Prozesssicherheit bei dünnen Strukturen werden auch von GoodBionics besonders an den speziell beschichteten und mit einer besonders laufruhigen Dreischneidengeometrie ausgestatteten Werkzeugen geschätzt.
Know-how auch zum Bearbeiten innovativer Kompositwerkstoffe
Die Fähigkeit des Hufschmied-Fräswerkzeugs für Zirkoniumdioxid, präzise auch fein auslaufende Formen zu erzeugen, kommt auch noch bei einem anderen Werkstoff zum Tragen. „Sehr dünne Restorationen, Langzeitprovisorien und Verblendungen, nicht stärker als eine Kontaktlinse − für diese Aufgaben nutzen wir das vergleichsweise neue Material Vita Enamic, für das wir gleich von Anfang an optimale Prozesse entwickelten“, sagt Benjamin Schick.
Vita Enamic ist die erste dentale Hybridkeramik mit dualer Netzwerkstruktur. Das dominierende keramische Netzwerk wird bei diesem Werkstoff durch ein Polymernetzwerk verstärkt, wobei sich beide Netzwerke vollkommen durchdringen. „Kompositwerkstoffe stellen durch die Kombination sehr abrasiv wirkender Bestandteile mit hitzeempfindlichen Kunststoffen regelmäßig besondere Herausforderungen für die Zerspanung dar. Da trifft es sich gut, dass wir bei Hufschmied seit vielen Jahren auf genau diese Herausforderungen spezialisiert sind“, so Mödinger, der in der Vergangenheit auch schon Unternehmen der Automobilbranche oder solche aus der Luft- und Raumfahrt bezüglich der Bearbeitung von Kompositwerkstoffen beraten hat.
Patientenspezifische Implantate ebenfalls optimiert zerspant
Zurzeit entwickelt GoodBionics gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und einem Partner aus dem Bereich Beschichtungen in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten KMU-innovativ-Projekt ein Implantatsverfahren mit patientenspezifischen einteiligen Keramik-Implantaten. Benjamin Schick: „Höchst individuelle Implantate werden jeweils einzeln gefertigt werden müssen. Wir freuen uns schon darauf, gemeinsam mit der Firma Hufschmied die Entwicklung eines optimierten Zerspanprozesses für die neuen Implantate anzugehen.“
Abschließend stellt der Geschäftsführer klar: „Es ist vielleicht der Eindruck entstanden, dass nur unsere besondere Ausstattung mit einem industriellen Fräszentrum eine Optimierung der Prozesse mit Spezialwerkzeugen nahelegt. Wir nutzen aber nach wie vor auch unsere Dentalmaschinen – zum Beispiel für die trockene Zirkonzerspanung –, und auch hier hat es sich gelohnt, die Parameter anzupassen. Wir konnten auf den Tischmaschinen zehn Prozent Bearbeitungszeit einsparen, die Qualität verbessern und profitieren nun von längeren Standzeiten als zuvor.“
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