Verzahnungsschleifen
Mit ganzheitlicher Kompetenz
Um im Markt bestehen zu können, müssen Anbieter von Verzahnungsschleifmaschinen kreativ sein. Reishauer beispielsweise stellt ein komplettes Angebot bereit, das außer der Werkzeugtechnik auch die Prozessüberwachung und die Automatisierung umfasst.
6. Mai 2024
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von Walter Graf
Im Rahmen des Konzeptes einer ganzheitlichen Präsenz im Markt, wie sie Reishauer für sein Angebot rund um das Verzahnungsschleifen versteht, bezieht sich der Begriff ‘ganzheitlich‘ auf eine Methodik, die verschiedene Teile in ein einheitliches Ganzes integriert und so Ergebnisse erzielt, die die Summe der einzelnen Elemente übertreffen. Dieses Konzept veranschaulicht das Unternehmen aus dem schweizerischen Wallisellen bei Zürich in Form eines sogenannten ‘Circle of Competence‘, der die ‘Gear Grinding Technology‘ als Ganzes verkörpert.
Im Mittelpunkt dieses Circle of Competence steht die Reishauer-Wälzschleifmaschine ‘RZ x60‘, die für ihre Doppelspindelkonfiguration bekannt ist. Diese Konstruktion hat sich durch die weltweite Installation von über 1000 Werkzeugmaschinen bewährt. Das Know-how geht jedoch über die eigentlichen Maschinen hinaus. So hat der Hersteller sein Angebot mit Automatisierungslösungen, Schleifschnecken, Abrichtrollen und Spannvorrichtungen ergänzt, um den Schleifprozess umfassend zu beherrschen und die Verantwortlichkeit sicherzustellen.
Der Einstieg in digitale Dienstleistungen, insbesondere ‘Argus‘, die Prozess- und Maschinenkomponentenüberwachung, ist die jüngste Erweiterung des Circle of Competence. Damit kann Reishauer die volle Verantwortung für die Stabilität des Verzahnungsschleifprozesses übernehmen. Das nahtlose Zusammenspiel aller Elemente ist ausschlaggebend für eine optimale Maschinenleistung und verkörpert die Verpflichtung, die gesamte Prozesskette zu überwachen und so den unterbrechungsfreien Betrieb der Verzahnungsschleifmaschine zu gewährleisten.
Schleifscheibenentwicklung und Prozessüberwachung
Das Argus-Prozessüberwachungssystem ermöglicht Endanwendern, ihre Produktionsüberwachung zu verfeinern. Das geschieht unter anderem durch die Auswertung der vom System berechneten Schleifintensitäten. Bis April 2024 wurden mehr als 28 Millionen Schleifprozesse erfasst. Diese Prozesse bieten eine solide Grundlage für die Anwendung von Big-Data-Analysen und künstlicher Intelligenz (KI), um Muster zu erkennen und Prozessdaten entsprechend und kontinuierlich zu optimieren.
Ziel ist es, eine Nullfehler-Produktion anzustreben. Dabei versteht sich unter ‘Schleifintensität‘ des Argus-Systems ein Kraftmodell zum Kalibrieren und Standardisieren der Schleifkräfte. Das Kraftmodell berücksichtigt die sich ständig ändernde Spanbildungszone, einschließlich der lokalen Schnittkinematik bei Änderungen des Schleifscheibendurchmessers und des sich ändernden Schleifzustandes aufgrund von Variationen der Schnecken-Umfangsgeschwindigkeit.
Diese Normierung und die Kalibrierung ermöglichen die Einstellung sehr enger Hüllkurven-Grenzwerte, die während des Prozesses erkannt und automatisch ausgewertet werden können. Das rechts nebenstehende Bild 3 zeigt den typischen Verlauf eines zweistufigen Schleifintensitätssignals, wie es auf dem CNC-Monitor der Werkzeugmaschine erscheint. Der obere dunkelblaue Bereich auf der linken Seite entspricht dem Schruppdurchgang, der untere dunkelblaue Bereich auf der rechten Seite dem Schlichtdurchgang.
In Bezug auf Schleifschnecken verwendet Argus die Schleifintensitäten, um die empirische Analyse von Schleifwerkzeugen während ihres gesamten Lebenszyklus für jedes bearbeitete Werkstück zu erleichtern. Traditionell war die Bewertung von Schleifscheiben weitgehend subjektiv. Heute ermöglicht Argus eine wissenschaftliche Untersuchung, wie eine Visualisierung der Schleifintensitäten von über 5000 Werkstücken beispielhaft zeigt (Bild 4 oben). Diese Auswertung wird an die Schleifscheiben-Entwicklungsabteilung zurückgespielt und ermöglicht eine kontinuierliche Qualitätskontrolle und Weiterentwicklung der Produkte.
Bewertung des Verhaltens der Schleifschnecke im Prozess
Das bereits erwähnte Bild 4 zeigt die erwähnte Schleifschneckenüberwachung über 5000 produzierte Werkstücke. Argus erfasste die Intensitäten bei einem Schrupp- und Schlichthub und weist im vorliegenden Fall auf eine Abnahme der Intensität während des Schruppens hin – ein Hinweis auf den Verschleiß der Schleifschnecke – und eine Zunahme der Intensität während des Schlichtens aufgrund des Ausgleichs für den zuvor reduzierten Materialabtrag. Diese Ergebnisse zeigen eine mikroskopische Degradation der Bindungskornmatrix der Schleifschnecke, die eine Anpassung der Schleifscheibenspezifikation zur Stabilisierung des Prozesses erforderlich machte.
Bewertung der Leistung von Spannvorrichtungen
Wie bei den Schleifscheiben kann Argus auch die Effektivität der Spannwerkzeuge beurteilen. Die Überwachung der Schleifintensität gibt zum Beispiel Aufschluss über den Rundheitsgrad von Spannvorrichtungen oder Abweichungen bei vorbearbeiteten Werkstücken. In diesem Beispiel sind Rundheitsunterschiede zwischen den beiden Werkstückspindeln C1 und C2 zu erkennen (Bild 5).
Argus verwendet komplexe Algorithmen, um die Interpretation der dynamischen Auswirkungen auf die Schleifintensität zu vereinfachen und eine Prozessanalyse zu ermöglichen, ohne dass der Anwender über spezifisches Fachwissen verfügen muss.
In diesem speziellen Fall war die Spindel C2 anfangs ungenau ausgerichtet, was aufgrund der Unrundheit zu messbar höheren Intensitäten führte. Nach dem Ausrichten der Werkstückspindel C2 zeigten beide Spindeln einen identischen Bereich von Schleifintensitäten, wie in Bild 5 rechts im Diagramm dargestellt ist.
Argus ermöglicht auch eine Analyse des Abrichtprozesses, der Aufschluss über die Leistung des Abrichtwerkzeugs und die Werkzeuglebensdauer gibt. Standardmäßig werden acht Abrichthübe gefahren, um eine Schleifschnecke neu abzurichten. Mit Argus werden die Auswirkungen auf die Verschleißzonen der Schleifschnecke auf ihre Intensität gemessen, und es ist oft festzustellen, dass weniger als acht Abrichthübe genügen, um die Schleifschnecke sauber abzurichten. Die Umsetzung dieser Erkenntnis führt zu einer erheblichen Verringerung der Abrichtzyklen und verlängert die Lebensdauer sowohl der Diamantrolle als auch der Schleifschnecke, wodurch die Prozesseffizienz gesteigert und die Umweltbelastung im Filtersystem verringert wird.
Auch diese Erkenntnisse helfen der Diamantrollenabteilung bei der kontinuierlichen Verbesserung der Abrichtwerkzeuge. Sobald ein Abrichtwerkzeug zu hohe Abrichtintensitäten zeigt, ist das ein Hinweis, dass die Diamantkörner abgestumpft sind und das Werkzeug ersetzt werden sollte. Somit ist die Lebensdauer nicht von einer zuvor bestimmten Anzahl Abrichtzyklen abhängig, sondern von seiner effektiven Abrichtleistung, die weit höher ausfallen kann.
Der Produktionszyklus lässt sich mit dieser Methodik optimieren
Ein ganzheitlicher Ansatz für das Verzahnungsschleifen, wie er vorstehend erläutert wurde, bietet dem Anwender leicht erkennbar erhebliche Vorteile − von der Verbesserung der Werkzeug- und Prozessparameter bis hin zum Erreichen eines höheren Qualitätsniveaus. Deutlich wird: Anbieter von Werkzeugmaschinen können den Produktionszyklus durch eine integrierte und ganzheitliche Strategie erheblich optimieren. Das kommt im Endeffekt allen Prozessbeteiligten zugute.
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Autor
Walter Graf ist Senior Projektleiter bei Reishauer in Wallisellen/Schweiz
Walter.Graf@reishauer.com
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