Maschinenbeschickung per Cobot

Lohnfertiger macht den Schritt in die digitale Produktion

Auftragsfertiger stehen vor besonderen Herausforderungen, wie dem Fachkräftemangel und der Organisation einer effizienten Produktion. Die Nordspan GmbH begegnet diesen mit einer Automatisierungslösung für ihre Erodiermaschine über einen Cobot von Yaskawa.
6. November 2024
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Herzstück der Gesamtlösung zur Automatisierung einer Drahterodiermaschine ist ein Cobot ‘HC10DTP‘ von Yaskawa, der das Werkstückhandling übernimmt© b-automated/Luciano Baumgart
von Markus Schulz
Lohnfertiger sind Spezialisten. Damit stehen sie vor ganz besonderen Herausforderungen, etwa in Bezug auf Fachkräfte und effiziente Produktionsprozesse. So wie die Nordspan GmbH, ein junges Unternehmen aus dem schleswig-holsteinischen Schwentinental bei Kiel. Denn mindestens zwei Gründe machen den Einstieg in die Automatisierung inzwischen auch für kleinere Produktionsunternehmen sehr attraktiv: Zum einen sind qualifizierte Fachkräfte heute viel zu wertvoll, um sie für monotone oder körperlich anstrengende Tätigkeiten einzusetzen. Zum anderen sind Roboter mit dem Siegeszug MRK-fähiger Cobots einfacher und komfortabler zu bedienen als je zuvor.

Junges Unternehmen steigt in die Automatisierung ein

Vor diesem Hintergrund suchten auch die Verantwortlichen bei der Nordspan GmbH nach neuen Wegen. Das 2019 gegründete Unternehmen mit rund 30 Mitarbeitern ist als Lohnfertiger für die Muttergesellschaft JBS Systems, einem führenden Hersteller von flexiblen Führungsbuchsen und Spannzangen für Langdrehautomaten, tätig.
„Leider finden wir kaum noch qualifizierte Mitarbeiter, daher ist Automatisierung und Digitalisierung für uns lebensnotwendig“, betont Geschäftsführer Maik Jeß nachdrücklich.
Für das erste Automatisierungsprojekt fiel die Wahl auf eine Drahterodiermaschine. Beim Drahterodieren werden die Spannzangen präzise geschlitzt, was pro Arbeitsgang bis zu einer Stunde dauert. Dementsprechend komplex ist die Automatisierung des Prozesses: Die Spannzangen werden unter Wasser bearbeitet. Dies erfordert eine Spannvorrichtung, die auch mit den prozessbedingt starken Verschmutzungen im Wasser keine Schwierigkeiten hat.
Darüber hinaus müssen die fertig geschlitzten Zangen unmittelbar nach der Entnahme aus dem Maschinenbett gründlich gereinigt und getrocknet werden, um ein Anlaufen der Oberflächen zu verhindern. Außerdem sollte die Anlage einfach zu bedienen und flexibel sein sowie sich in die beengte Arbeitsumgebung einfügen können.
Die Bedieneroberfläche der Anlage, übersichtlich visualisiert auf dem Smart Pendant des Yaskawa Roboters© b-automated/Luciano Baumgart

Gesamtlösung von Systemintegrator B-automated

Bei der Suche nach dem optimalen Konzept für diese anspruchsvolle Aufgabenstellung wurde Nordspan durch die Empfehlung von Yaskawa bei dem Systemintegrator B-automated und seinem Inhaber Luciano Baumgart fündig. Die Gesamtlösung kombiniert einen ‘ZeroCob‘-Baukasten und Spannmittel von ZeroClamp mit einem Cobot ‘HC10DTP‘ sowie einem Greifer der Zimmer Group.
Die Schnittstelle zwischen Robotersteuerung und Erodiermaschine wird über eine Fabriksoftware des deutschen Anbieters Software4production GmbH (abgekürzt S4P) realisiert. Gleichzeitig ist damit der Grundstein für eine weitergehende Digitalisierung und Automatisierung in Richtung einer autonomen Fertigung gelegt. Mithilfe einer webbasierten Anwendung kann der Anlagenverbund nun remote überwacht werden, um weitere Optimierungen zu ermöglichen und die Anlagenverfügbarkeit im 24/7-Betrieb auf höchstem Niveau zu halten.

Cobot aus der HC-Serie und Parallelgreifer kombiniert

Herzstück der Zelle ist der Cobot aus der Serie HC (‘Human Collaborative’) von Yaskawa. Obwohl es sich um einen vollwertigen Industrieroboter handelt, kann er auch im sicheren Modus mit verminderter Geschwindigkeit arbeiten. Bei möglichen, jedoch stets ungefährlichen Kollisionen stoppt der Manipulator sofort, sodass sich Personen gefahrlos im Arbeitsbereich des Roboters aufhalten können. Bei Nordspan ist der Roboter zusätzlich durch einen Flächensicherheitsscanner abgesichert.
Das ausgewählte Cobot-Modell HC10DTP bietet eine Traglast von 10 kg in Verbindung mit einer effektiven Reichweite von 1200 mm und überzeugt durch seine staub- und wasserdichte IP67-Schutzklasse. Der Greifer von Zimmer ist ideal auf den Manipulator abgestimmt. Konkret handelt es sich um einen eigens für die Anwendung konfigurierten Parallelgreifer mit Federrückstellung. Diese Vorrichtung gewährleistet, dass das Bauteil selbst bei einem Druckverlust innerhalb des Greifers fixiert bleibt.
Erfolgreicher Einstieg in die Robotik (von links): Luciano Baumgart (B-automated) sowie Maik Jeß und Christian Wiese (beide Nordspan)© b-automated/Luciano Baumgart
Wie alle Modelle der Motoman HC-Serie, zeichnet sich auch der HC10DTP durch eine besonders nutzerfreundliche Bedienung aus: Neben der Nutzung eines übersichtlichen Handbediengeräts besteht auch die Möglichkeit, den Roboterarm direkt per Hand zu führen und zu programmieren (Direct Teach, DT). Dies ermöglicht eine erhebliche Zeitersparnis bei der Erstellung von Roboterprogrammen.
Insgesamt hat der komplette Aufbau, die Montage und Integration des Roboters inklusive der Peripherie – Mechanik, Elektrik und Software – weniger als fünf Arbeitstage in Anspruch genommen. Seitdem hat sich die Anlage bestens bewährt, wie auch Christian Wiese, Maschinenbediener bei Nordspan, bestätigt: „Der Roboter ist sehr einfach zu bedienen und nimmt mir die monotone Arbeit an der Erodiermaschine ab. Jetzt kann ich mich endlich um wichtigere Dinge kümmern und der Kollege Roboter produziert 24/7 selbstständig. Was will man mehr?“, so der der Praktiker.

Positive Praxiserfahrungen

Dank der neuen Automatisierung kann die Drahterodiermaschine nun auch in Geisterschichten autonom betrieben werden und erreicht so eine nahezu komplett mannlose Betriebszeit von fast 24 Stunden. Sollte es dennoch zu einer Störung kommen, wird diese den Mitarbeitern über eine intuitive Bedienoberfläche sofort angezeigt, sodass rechtzeitig eingegriffen werden kann, um keine Maschinenzeit zu verlieren.
Entsprechend zufrieden zeigt sich auch Geschäftsführer Maik Jeß: „Die Roboterzelle wird sich unter einem Jahr amortisiert haben und die Maschinenauslastung hat sich bereits jetzt mehr als verdoppelt. So soll es sein.“
Information & Service

Anwender

Nordspan GmbH
24222 Schwentinental
Tel. +49 431 5305560
www.nordspan.com

Hersteller

Yaskawa Europe GmbH
85391 Allershausen
Tel. +49 8166 90–0
www.yaskawa.eu.com

Systemintegrator

b-automated Luciano Baumgart
93185 Michelsneukirchen
Tel. +49 178 1448886
www.b-automated.com

Autor

Markus Schulz ist Sales Manager Cobots bei Yaskawa
robotics@yaskawa.eu