Mechatronische Greifertechnik

Greifsysteme für erhöhte Prozesssicherheit und Effizienz

Mit zahlreichen Features steigert eine junge Generation an Greifsystemen die Prozesssicherheit und Effizienz von Robotikanlagen. Die mechatronischen Lösungen spielen in immer mehr Anwendungsfällen eine entscheidende Rolle in der Automatisierung.
4. Dezember 2024
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Die mechatronischen Greifsysteme der Produktreihe ‘Motiact’ gestalten den Umgang mit Position und Kraft als Hauptvariablen neu© SMW-Autoblok
Geht es in der Konstruktionsplanung um die Wahl eines Greifersystems, stellt sich oft die Frage: pneumatisch oder mechatronisch angetrieben? Die Antwort lautet wie so oft: Kommt drauf an. Je nach der zu leistenden Aufgabe verfügt jede Antriebsvariante über ihre Vorteile. Pneumatische Greifer gelten als robust und einfach in der Bedienung. Mechatronische Systeme erlauben ein hohes Maß an Prozesskontrolle, was sie flexibler in ihrer Anwendbarkeit macht und besonders interessant bei hohen Sicherheitsanforderungen.
„Auch wenn die pneumatischen Systeme Studien zufolge den Markt mit gut 70 Prozent anführen, erfahren mechatronische Greifer immer mehr Zuwachs“, sagt Tobias Schneider, zuständig für das Business Development bei SMW-Autoblok. „Vor allem im Werkzeug- und Maschinenbau sowie in den Bereichen Medizintechnik und Food übernehmen sie immer mehr Greifaufgaben.“
SMW-Autoblok ist spezialisiert auf die Entwicklung und Fertigung mechanischer und mechatronischer Spannsysteme für das Handling von Werkstücken. Dazu gehören auch pneumatische wie mechatronische Greifer. Die Aktivitäten im Bereich digitalisierter Prozesse und Automation sind im Unternehmen SMW-electronics gebündelt. Hier entstand die jüngste Greifergeneration von SMW. Mit ihr zeigt das süddeutsche Unternehmen, wie es diese Aktoren mit neuen Eigenschaften ausstattet und dadurch die Effizienz und Sicherheit insbesondere im Bereich der EOAT-Automation (End-of-Arm-Tooling) weiter steigern kann.
Die 2-Finger-Greifer bedienen typische Größenanforderungen unterschiedlicher Branchen, hier der Kleinteile- und der Universalgreifer © SMW-Autoblok

Baugrößen für unterschiedliche Anforderungen

2023 brachte der Hersteller seine Produktreihe ‘Motiact’ auf den Markt. Mit drei Varianten mechatronischer 2-Finger-Greifer bedient sie die typischen Größenanforderungen unterschiedlicher Branchen: Der ‘MX-S‘ ist mit seiner kompakten Bauweise vor allem für das Pick & Place sowie für industrielle Cobot-Anwendungen geeignet. Mit 2 × 8 mm Hub und einer Kraft von 200 N kann er Werkstücke von bis zu 1 kg bewegen. Die mittlere Größe ‘MX-M‘ ist ein Universalgreifer mit ebenfalls 2 × 8 mm Hub. Mit 1200 N bewegt er Objekte von bis zu 6 kg. Für das Handling von Großteilen komplettiert der ‘MX-L‘ als Langhubgreifer die Reihe. Sein Hub beträgt 2 × 99 mm. Für das Greifen bringt er 10.000 bis 40.000 N auf und spannt Werkstücke mit 200 kg empfohlenem Maximalgewicht.

Absolutes Wegmesssystem in die Greifer integriert

Im Fokus der Entwicklung von Motiact lag eine optimierte Steuerung der mechatronischen Greifer, um damit ihre Funktionalität zu erhöhen. „Unsere Philosophie war es, sie flexibler und einfacher ansteuerbar zu machen“, sagt Tobias Schneider. Ergebnis sind intelligente Greifsysteme, die den Umgang mit Position und Kraft als Hauptvariablen neu gestalten.
Als Herzstück fungiert ein hochgenaues, absolutes Wegmesssystem, das in jeder der drei Größen integriert ist. Eine gesonderte Installation oder das Hinzufügen einer Zusatzkomponente für die Positionierung ist damit nicht nötig. Mittels des Wegmesssystems lassen sich die mechatronischen Greifer präzise und flexibel positionieren. Sie erzielen eine Wiederholgenauigkeit von 0,01 bis 0,02 mm.
Tobias Schneider, SMW-Autoblok: „Unsere Philosophie bei der Entwicklung der mechatronischen Greifer war es, sie sicherer und einfacher ansteuerbar zu machen“ © SMW/Markus Mehl
Greifer, die flexibel ansteuerbar sind, können ihre Position exakt an das zu greifende Werkstück, dessen Form und Stabilität anzupassen. Die Positionierung erfolgt dabei stufenlos, also ohne Umweg über die Endposition des Greifers. Für Produktions- oder Bearbeitungsprozesse bedeutet dies effizientere Abläufe bei höherer Sicherheit.
Gleiches gilt für den Faktor Kraft. Auch dieser lässt sich bei den Motiact-Greifern variabel steuern. Anwender können die Greifkraft unabhängig von der Greifgeschwindigkeit und dem Hub einstellen. Die Greifer können damit die volle Kraft nutzen, ohne den vollen Hub zu verfahren. Die Einstellung der Greifkraft selbst erfolgt dabei sensitiv. Das heißt, sie ist in feinen Abstufungen skalierbar. Für Anwender ergibt sich somit bei der flexiblen Handhabung unterschiedlicher Werkstücke ein deutlicher Vorteil gegenüber bisherigen Greifermodellen; bei diesen sind häufig vordefinierte Greifprofile abrufbar, die in der Regel nur wenige Abstufungen zwischen ‘Auf’ und ‘Zu’ erlauben.

Kraft und Position bleiben bei Energieausfall erhalten

Im Zusammenspiel der flexiblen, genauen Steuerung von Kraft und Positionierung ergeben sich weitere Vorteile. Sollte es zu einem Energieausfall kommen, behält der Greifer seine letzte Position 1:1 bei. Eine Referenzfahrt zur Positionsermittlung ist nicht nötig.
Der Langhubgreifer bringt 10.000 bis 40.000 N auf und kann damit Werkstücke mit 200 kg empfohlenem Maximalgewicht spannen © SMW-Autoblok
Das gleiche gilt für die zuletzt aufgewandte Kraft, die mittels Greifkrafterhalt und durch mechanischen Selbsthemmung des Antriebs (MX-S und MX-M) beziehungsweise einer Motorbremse (MX-L) vollständig erhalten bleibt. Das spart zum einen Prozesszeit, zum anderen erhöht es die Prozesssicherheit. Denn ein Werkstück bleibt somit auch bei Energieausfall sicher gegriffen. Ein Aspekt, der insbesondere in Prozessen mit zerbrechlichen oder sensiblen Produkten gefragt ist, beispielsweise im Probenhandling in der Medizintechnik.
Die Motiact-Greifer werden über die gängigen Kommunikationsprotokolle IO-Link (MX-S und MX-M) und Profinet (MX-L) in das Automationssystem eingebunden. Sie sind geschützt nach IP40 (MX-S), IP64 (MX-M) und IP67 (MX-L) und damit für die Produktionsbedingungen verschiedener Branchen passend ausgerüstet. Zusätzlich bieten die mechatronischen Greifer ein hohes Maß an Energieeffizienz. Sie benötigen allein dann Energie, wenn sie tatsächlich bewegt werden.

Systemintegration ganz ohne Kabel realisierbar

Für die Versorgung mit Energie und den Austausch von Signalen hat SMW ebenfalls eine eigene Lösung entwickelt. Sie bindet die Aktoren in das Automationssystem der digitalen Fabrik ein. „Insbesondere für EOAT stellt sich die Herausforderung, wie sich eine solche Verbindung zwischen der rotierenden Einheit des Greifers und einer stationären Einheit, beispielsweise eines Roboterarms, verlässlich herstellen lässt“, erläutert Tobias Schneider.
Das Ergebnis der Entwicklungsarbeit ist ein induktives Koppelsystem, das völlig ohne Kabel, Stecker oder Schleifringe auskommt. Es ermöglicht die berührungslose Übertragung von Energie und Signalen zwischen Roboterarm und Greifer. Letztere sind berührungslos über einen Luftspalt verschleiß- und wartungsfrei sowohl mit dem jeweiligen Bussystem als auch mit der Energieversorgung verbunden. Dies macht eine endlose Rotation in beide Richtungen möglich.
Induktive Koppelsysteme übertragen Energie und Signale berührungslos und binden so Aktoren in die digitale Fabrik ein © SMW-electronics

Zukunftspotenzial mechatronischer Greifer durch Künstliche Intelligenz

„Im Bereich der mechatronischen Greifer ist entwicklungstechnisch noch einiges zu erwarten“, ist sich Tobias Schneider sicher. „Vor allem das Thema der Künstlichen Intelligenz (KI) wird für die weitere Prozessoptimierung künftig eine wichtige Rolle spielen.“
So könnten Greifsysteme beispielsweise mit lernenden Algorithmen ausgestattet werden, wodurch sich die Variablen ‘Kraft‘ und ‘Position‘ noch individueller und flexibler an Werkstücke und Prozesse anpassen ließen. Auch könnte KI das Condition Monitoring automatisieren. Das Funktionsspektrum mechatronischer Greifsysteme scheint damit noch lange nicht ausgeschöpft.
Information & Service
In der digitalen Fabrik der Zukunft geht es vor allem um Integration und Kommunikation von Komponenten in ein umfassendes Produktionssystem. Auf der Sensor/Aktor-Ebene gehören auch Spannmittel und Greifer dazu. Ihr Wandel zu integrierten Komponenten der digitalen Fabrik wird begleitet von Playern wie SMW-Autoblok. Durch die Kombination von Mechanik, Elektronik und Software hat sich das Unternehmen vom konventionellen Spannmittelhersteller zum Hightech-Prozessanbieter gewandelt. Neben den mechanischen Spannsystemen gehören auch induktive Koppelsysteme, smarte Sensorik, mechatronische und hybride Spannmittel sowie mechatronische Greifer zum Produktprogramm. 2021 bündelte die international agierende Gruppe mit Sitz in Meckenbeuren ihre globalen Aktivitäten im Bereich digitalisierter Prozesse und Automation in dem eigenständigen Unternehmen SMW-electronics.

Hersteller

SMW-Autoblok GmbH
88074 Meckenbeuren
Tel. +49 7542 405–0
www.smwautoblok.com
www.smw-electronics.de