In-Prozess-Verzahnungsprüfung
Geräuschanalyse für E-Getriebe
Die Hartfeinbearbeitungszelle von Gleason bietet die Möglichkeit, bis zu 100 Prozent der Werkstücke zu prüfen. Ein integriertes GRSL-Zweiflanken-Wälzprüfgerät misst mittels Laserscannen in Echtzeit und liefert Korrekturwerte innerhalb eines Closed-Loop-Kreislaufs.
27. Juni 2023
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von Antoine Türich und Klaus Deininger
Heutzutage wird bei der Zahnradherstellung eine Qualitätskontrolle in der Regel nur stichprobenartig durchgeführt. Dies liegt an Messzeiten, die signifikant länger sind als die Hauptzeiten selbst, sowie an begrenzt verfügbaren Messkapazitäten. So ist es in der Hartfeinbearbeitung üblich, nur jeweils ein bis zwei Bauteile pro Abrichtzyklus zu vermessen, was in etwa fünf Prozent der gefertigten Teile entspricht.
Um dennoch eine nahezu 100%-ige Sicherheit gewährleisten zu können, bedient man sich der Statistik. Weil sich die meisten Messmerkmale normalverteilt verhalten (Gauß), lässt sich durch gezieltes Einengen der Fertigungstoleranzen die Einhaltung der tatsächlich geforderten Zeichnungstoleranzen mit ausreichend großer Wahrscheinlichkeit (üblicherweise >99,99 Prozent) sicherstellen. Dieses anerkannte Verfahren wird häufig bei Maschinen- und Prozessfähigkeitsuntersuchungen angewandt. Die dabei ermittelten cmk-/cpk-Werte liegen in der Regel über 1,67. Statistisch gesehen beträgt damit der Ausschuss dann nur 0,57 Teile pro 1 Million gefertigter Bauteile. Das bedingt jedoch, dass von den vorgesehenen Zeichnungstoleranzen nur noch etwa 50 Prozent als Fertigungstoleranz zur Verfügung stehen. Diese Begleiterscheinung wird bei E-Getrieben zum Problem, denn die steigende Leistungsdichte und die höheren Anforderungen an das Geräuschverhalten gehen von vorneherein mit kleineren Toleranzen einher. Diese dann aus statistischen Gründen nochmals einzugrenzen, ist fertigungstechnisch kaum darstellbar.
Ein weiteres Problem der traditionellen Verzahnungsprüfung ist die lange (Warte-)Zeit zwischen der Entnahme des Bauteils zur Prüfung und der tatsächlichen Verfügbarkeit der Prüfergebnisse. 30 bis 45 min sind keine Seltenheit. Erst dann kann entschieden werden, ob eine Korrektur der Maschineneinstellungen durch den Bediener bei laufender Fertigung erforderlich ist.
Künftige Verzahnungsprüfung
Wie sähe nun eine ideale Lösung zur Bewältigung der beschriebenen Herausforderungen aus? Im Idealfall ließen sich alle Teile unmittelbar nach der Fertigung prüfen. So könnte die an jedem Werkstück erreichte Qualität dokumentiert werden. Prozessabweichungen ließen sich sofort durch ein automatisches ‘Closed Loop’-System korrigieren. Mehr noch: Durch die Prüfung von bis zu 100 Prozent der Bauteile könnte man auch Trends überwachen und vorbeugende Korrekturen vornehmen, bevor die Teile aus der Toleranz ‘wandern’.
Ultimatives Ziel wäre die Vorhersage, ob ein Werkstück geräuschkritische Merkmale aufweist und ausgeschleust werden kann, bevor es in die Getriebemontage gelangt und das Geräuschproblem erst am ‘End of Line’ (EOL)-Prüfstand identifiziert wird.
Der Schlüssel dafür ist ein Messzentrum, das Zahnräder so schnell prüfen kann wie sie produziert werden und das in der Nähe der Produktionsmaschine installiert werden kann.
In-Prozess: Zweiflanken- Wälzprüfung und Laserscannen
Genau so ein Messzentrum hat Gleason 2018 vorgestellt. Die ‘GRSL’ kombiniert die optische Prüfung der Verzahnungsmerkmale mittels Laserscannen mit der Zweiflanken-Wälzprüfung von Verzahnungen, die in der Produktion bewährt ist bei 100%-Kontrollen bestimmter Merkmale. Die GRSL unterscheidet sich damit deutlich von einem taktilen Messsystem. Sie misst nicht nur den Funktionsfehler durch eine Zweiflanken-Wälzprüfung mit einem Lehrzahnrad, sondern auch laser-optisch die typischen Verzahnungsabweichungen im Profil der Flankenline sowie in der Teilung und dem Rundlauf an allen Zähnen.
Während des Wälzprüfzyklus fahren zwei Laserköpfe automatisch in Position, um die linke und die rechte Zahnflanke gleichzeitig zu scannen. Darüber hinaus können verschiedene Abschnitte entlang der Verzahnbreite gescannt werden, um auch die Merkmale der Flankenlinie zu prüfen. Die Gesamtprüfzeit ist dank des Lasers erheblich kürzer als mit der taktilen Methode. So kann die Prüfzeit für ein Planetenritzel mit der neuen GRSL um den Faktor 4 reduziert werden, von etwa 2,7 min auf 39 s. Zudem werden in der kürzeren Prüfzeit alle Zähne des Zahnrads erfasst und nicht nur vier Zähne, wie bei taktilen Messsystemen der Fall.
Enorme Messdatendichte ermöglicht Welligkeitsanalyse
Mit solch umfangreichen Messdaten, die durch das Laserscannen aller Zähne zur Verfügung stehen, ist es auch möglich, Verzahnungen über die Standardmerkmale wie Abweichungen im Profil, Flankenlinie, Teilung, Rundlauf und Zahndicke hinaus zu bewerten. Zudem erfasst der Laser bei höheren Geschwindigkeiten eine viel höhere Datendichte als ein taktiler Taster. Die Fläche der Zahnradflanke, die der Lasertaster zu jedem Zeitpunkt der Messung sieht und abtastet, ist viel größer als bei der Verwendung eines taktilen Messtasters. Dieser stellt lediglich einen Punktkontakt her, während der Laser einen linienförmigen Messbereich mit hoher Frequenz und Abtastrate von wenigen Mikrometern abtastet. Dies ermöglicht die Erfassung einer großen Oberfläche der Verzahnung mit bis zu 10-fach höherer Dichte bei wesentlich kürzeren Prüfzeiten. Eine solche hochdichte Prüfung der gesamten Oberfläche ist mit einem taktilen Messtaster nicht möglich.
Die Kenntnis der Profil- und Flankenlinieninformation aller Zähne ermöglicht die Berechnung einer ‘erweiterten Welligkeitsanalyse’, die zu einer Ordnungsanalyse der Zahnradtopographie führt. Im Gegensatz zur traditionellen Verzahnungsprüftechnik, bei der periodische Komponenten oder Welligkeiten nur als Formfehler ffa oder ffb im Profil und der Flankenlinie erfasst werden, geht die erweiterte Welligkeitsanalyse (AWA – Advanced Waviness Analysis) deutlich darüber hinaus.
Diese wertet periodische Fehler im Profil, in der Flankenlinie oder in der Teilung nach ihren Frequenzen/Ordnungen und ihren Amplituden aus und entspricht im Wesentlichen der Welligkeitsanalyse nach VDI/VDE2612:2018. Auf diese Weise lassen sich auffällige Ordnungen und Amplituden in Tabellenform zusammenfassen. Dies ermöglicht eine schnelle Unterscheidung zwischen eingriffsharmonischen Ordnungen, die durch die Zahnradauslegung beeinflusst werden, und so genannten Geisterordnungen, die aus Fertigungsfehlern resultieren und geräuschkritisch sein können.
Während bei der Einflankenwälzprüfung der tatsächliche Übertragungsfehler zwischen Verzahnung und Lehrzahnrad ermittelt und als Ordnungsanalyse dargestellt wird, berechnet die AWA den Übertragungsfehler aus gemessenen reduzierten Topographiedaten. Diese etablierte Methode bietet den Vorteil, dass anstelle eines zusätzlichen Einflankenwalzprüfgeräts vorhandene analytische Prüfmittel ausreichend sind. Nachteilig ist jedoch, dass es sehr lange dauert, auf einem Standard-Messzentrum mittels taktiler Messung die Profildaten aller Zähne zu ermitteln, die es für die Berechnung der Ordnungsanalyse erfordert.
Mit der neuen GRSL können genau diese Profil- und Flankenliniendaten extrem schnell erfasst werden, wodurch der Nachteil der analytischen Prüfung entfällt. Mit der berechneten Ordnungsanalyse und den entsprechenden Amplituden (erweiterte Welligkeitsanalyse) ist es möglich, potenzielle Geräuschprobleme wie Geisterordnungen zu erkennen. Diese Ordnungen haben nichts mit den Eingriffsharmonien der Verzahnung zu tun und werden in der Regel durch kleine Unregelmäßigkeiten verursacht, die während des Fertigungsprozesses oder durch die Produktionsmaschine selbst entstehen. Solche Geisterordnungen können Probleme verursachen, sobald sie eine bestimmte Amplitude überschreiten. Bislang werden solche Ordnungsanalysen aufgrund des hohen Prüfaufwandes nur stichprobenartig durchgeführt.
Mit der erweiterten Welligkeitsanalyse und der Möglichkeit, bis zu 100 Prozent der gefertigten Zahnräder zu prüfen, ist es nun möglich, jede produzierte Verzahnung auf potenzielle Geräuschprobleme zu untersuchen und nicht konforme Verzahnungen auszusortieren, bevor sie verbaut werden. Dies ist ein Novum in der Getriebeindustrie und ein Wendepunkt insbesondere für die Prüfung der besonders geräuschempfindlichen E-Getriebe.
Integration der Prüftechnik in den Produktionsfluss
Die Hartfeinbearbeitungszelle (HFC) von Gleason integriert diese prozessbegleitende Prüftechnik nahtlos in den Fertigungsprozess. Diese vollautomatische Fertigungszelle umfasst das Wälzschleifen, das Waschen, die Teilemarkierung und ein GRSL-Verzahnungsmesszentrum, die alle durch einen Laderoboter mit einem Korb-Palettiersystem verbunden sind. Die integrierte Automatisierung stammt von Gleason selbst. Der Portallader wickelt den gesamten Arbeitsablauf innerhalb der Zelle ab, einschließlich des Teilehandlings zwischen der Schleifmaschine, den Wasch- und Markierungsstationen sowie dem Messzentrum. Die Stapelzelle nimmt Körbe verschiedener Hersteller und Bauarten auf und ist ideal für die autonome Bearbeitung großer Losgrößen.
Die 200/260GX nutzt ein Doppelspindelkonzept, um die unproduktiven Nebenzeiten zu minimieren, mit weniger als 4 s Werkstückwechselzeit. Das Einrichten der Maschine ist dank der Quik-Flex-Plus-Aufspannung von Gleason extrem einfach und schnell.
Neben vier verschiedenen Abrichtsystemen für eine hochproduktive oder flexible Fertigung erfordern die heutigen Qualitätsanforderungen moderne Schleifverfahren. Dazu gehört die Möglichkeit, Zahnräder mit extrem guter Oberflächenqualität und gezielt schränkungskontrolliert zu schleifen. Es ist ein Novum, dass weder Schleif- noch Abrichtzeiten durch das schränkungskontrollierte Schleifen von Gleason negativ beeinflusst werden.
Das Closed-Loop-System von Gleason verbindet die Schleifmaschine mit dem integrierten GRSL-Verzahnungsmesszentrum. Die Prüfergebnisse werden direkt an die Schleifmaschine zurückgegeben, ohne dass der Bediener eingreifen muss. Die Maschine vergleicht die gemessenen Werte mit den Sollwerten und führt automatisch die erforderlichen Korrekturen durch. Da die GRSL direkt in der Hartfeinbearbeitungszelle integriert ist, liegen die Ergebnisse kurz nach dem Schleifen des Werkstücks vor, in der Regel in weniger als 5 min nach dem eigentlichen Schleifen. Verglichen mit dem traditionellen Ansatz der Verzahnungsprüfung in einem separaten Prüfraum wird die Reaktionszeit drastisch verkürzt. Und der wahrscheinlich größte Vorteil ist, dass es mit diesem neuen System erstmals möglich ist, jedes produzierte Zahnrad mit Hilfe der erweiterten Welligkeitsanalyse auf potenzielle Geräuschprobleme hin zu untersuchen.
Information & Service
Hersteller
Autoren
Dr. Antoine Türich ist Director Product Management bei Gleason
Klaus Deininger ist International Sales Manager bei Gleason Metrology Systems
info@gleason.com
Klaus Deininger ist International Sales Manager bei Gleason Metrology Systems
info@gleason.com