PLUSBohren – Reiben – Gewinden

Ganz sicher hochgenau

Reibwerkzeuge – Präzisionsbohrungen – Zuverlässigkeit

Reibahlen von Ceratizit befähigen Karl Berger in Mondsee dazu, außer den zwei bekannten Herausforderungen beim Reiben − der Werkstoff umschließt das Werkzeug, und die Späne sind gegen den Vorschub abzuführen − eine dritte zu bewältigen: besonders tiefe Bohrungen.
5. Dezember 2019
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Bild 1: Einer der Vorteile des Werkzeugs Freemax von Ceratizit, mit dem der Zulieferer Berger das Reiben rationalisierte, sind nummerierte Schneidkanten, die Fehlbestückungen ausschließen© Ceratizit
Wenn 1 m lange oder noch längere Innenformelemente gebohrt, gerieben und rolliert werden sollen, ist Einfallsreichtum gefragt − erst recht, wenn es sich beim Werkstoff um 42CrMo4 oder St52 handelt, schwanken doch beispielsweise bei Letzterem immer wieder die Material- eigenschaften, oder es entstehen schon kurz nach Arbeitsbeginn Fließspäne. Die Späneabfuhr steht deshalb im Fokus der Anstrengungen für eine optimale Werkzeuganwendung, ebenso wie das Beherrschen der Prozesstemperatur.
Bild 2: 1195 mm misst die Freemax-Anbindung in der letzten Ausbaustufe bei Berger. Das Easy-to-use-Prinzip stellt ein einfaches Werkzeughandling sicher© Ceratizit
Generell gilt: Die Anzahl der Werkzeuganbieter, die in der Lage sind, den Ansprüchen bei relativ großer Bohrungslänge mit prozesssicheren Reiblösungen zu begegnen, ist überschaubar. Bei der Karl Berger CNC-Maschinenbau GmbH, Lohnfertiger im österreichischen Mondsee, bestätigte sich das in einer schwierigen Situation.
Erfahrungen in puncto Zerspanung gibt es in dem 65 Mitarbeiter zählenden, gerade 70 Jahre alt gewordenen Unternehmen Karl Berger zu genüge − Prozesswissen, das man immer wieder konsequent in Qualität umwandelt. Der Lohnfertiger kann deshalb auf einen breiten Kundenstamm verweisen, mit Unternehmen aus der Hydraulik-, der Schienenfahrzeug- und der Lebensmittelindustrie bis hin zum allgemeinen Maschinenbau, die vorwiegend in Deutschland und Österreich angesiedelt sind. Gefertigt werden Drehteile bis 2 m Durchmesser und 4 m Länge; auf dem Frässektor reicht die Palette von Teilen mit Abmessungen von 30 × 30 × 30 mm bis zu Großteilen mit einem Gewicht von 10 t.

Große Verfahrensvarianz ermöglicht Komplettbearbeitung

Um den Kunden komplette Bauteile anbieten zu können, praktiziert Berger sowohl das Sägen, das Tieflochbohren, das Verzahnen, das Flach-, Außen- und Innenrundschleifen, das Honen und das Finishen. Von Kunststoff über Aluminium bis hin zu Guss wird ein breites Werkstoffspektrum in hoher Fertigungstiefe spanend bearbeitet, wobei der Schwerpunkt auf Bau-, Vergütungs- und nicht rostenden Stählen sowie Gusswerkstoffen liegt. Mit dem Fokus auf 5 bis 50 Teilen bewegen sich die Losgrößen im Bereich von 1 bis 1000.
Bild 4: Meisterten die Herausforderungen (von links): Denis Osmic, Bojan Stevanovic und Karl Berger, Maschinenbediener, Anwendungstechniker und Geschäftsführer bei der Karl Berger GmbH, sowie Siegfried Koll, Beratung/Verkauf bei Ceratizit Deutschland© Ceratizit
In Losen von 20 bis 30 Stück wird in Mondsee auch eine Familie von Hydraulikkolben für Großmaschinen gefertigt, die sich im Jahr zu etwa 1500 Teilen aufsummieren. Aus zehn Varianten bestehend, reichen die Bauteillängen von 1,0 bis 2,0 m sowie die zuge- hörigen Bohrungslängen von 0,6 bis 1,1 m. Die Bohrungsdurchmesser betragen 70 und 80 mm.
Die Kolben werden üblicherweise aus 42CrMo4 hergestellt; bei Sonder- anfertigungen auch aus St52. Weil in den Bohrungen später ein Kolben unter Druck sicher laufen muss, sind die Ansprüche an die Dichtheit des Bauteils und an die Kolbenlauffläche hoch.
»In der Bearbeitungsfolge aus Bohren, Reiben und Rollieren müssen zum Beispiel beim Reiben H7-Toleranzen sowie Rauheiten Ra von 0,9 µm und Rz1max von 10 µm eingehalten werden«, erläutert Karl Berger, der Geschäftsführer des Lohnfertigers. »Es sind also enge Form- und Lagetoleranzen und hohe Oberflächengüten umzusetzen.«

Probleme mit den Reibwerkzeugen gefährdeten die Auftragserledigung

Früher fertigte man bei Berger die Teilefamilie auf mehreren Maschinen. Zum Beispiel wurden die Bohrungen der kleineren Hydraulikkolben zuerst auf einem Bearbeitungszentrum erzeugt, dann auf einer Drehmaschine ausgedreht. Allein diese Trennung war nur begrenzt prozesssicher. Dabei war noch nicht gehont worden. Mit der Investition in ein Drehfräszentrum zielte Berger deshalb speziell auf die Komplettfertigung dieser Kolben.
Ausgelegt für komplexe Werkstücke, lassen sich mit dem Zentrum Teile bis 1000 mm Drehdurchmesser, 6000 mm Länge, 1500 kg Gewicht im Futter und 6000 kg zwischen Futter und Reitstock bearbeiten. Für die schwere Zerspanung stellt die Hauptspindel Drehmomente bis 6410 Nm und 84 kW Leistung zur Verfügung, die Frässpindel 700 Nm und 80 kW.
Auch die Erstbestückung der Maschine mit Werkzeugen hat Berger konsequent auf die Kolbenbearbeitung ausgerichtet. Der klare Auftrag an den Maschinenhersteller lautete: Die Teile sollen fertigbearbeitet von der Maschine fallen. Außer der Prozesssicherheit war dabei vor allem die vorgegebene Bearbeitungsgenauigkeit zu garantieren.
Bild 3: Anders als bei klassischen WSP-Reibahlen, bei denen jede Platte einen definierten Sitz hat, kann der Anwender die präzisions-geschliffenen dreiseitigen Platten der Freemax beliebig montieren© Ceratizit
Die Rechnung ging allerdings nicht auf. Zwar hatte der Maschinenhersteller die Funktionsgarantie für die Erstbestückung zum Bohren, Reiben und Rollieren gegeben; das Reiben aber funktionierte nicht, und das über Monate. Es entstand eine äußerst kritische Situation, zumal der Endkunde seine Ansprüche geltend machte.
Ersatzweise ließen sich die kleineren Kolben zwar auf die bisherige Weise fertigen; bei den größeren Teilen jedoch funktionierte es nicht. Die Zeit verstrich mit verschiedenen Lösungsansätzen, und noch immer konnte nicht gerieben werden. Zwischenzeitlich wurde sogar vorgeschlagen, eine weitere Pumpe zu installieren, weil die Durchflussmenge für die Innenkühlung nicht ausreichte − eine horrende Investition. »Letztlich war abzusehen, dass wir das so nie hinbekommen würden; es war eine Katastrophe«, bekennt Karl Berger. »Mit den kleineren Teilen waren wir lieferfähig, mit den größeren war der Schiffbruch abzusehen.«
Anwender
Karl Berger CNC-Maschinenbau GmbH, A-5310 Mondsee, Tel. +43 6232 2431-0, www.cnc-berger.at
Dass es anders geht, und zwar schnell, zeigte das Team Cutting Tools (Ceratizit, Komet, WNT und Klenk) der Ceratizit-Gruppe, an das sich Karl Berger in dieser Situation wandte. In weniger als einer Woche nach der Kontaktaufnahme kam mit der Freemax eine Komet-Standardreibahle in WSP-Ausführung ins Haus − im Dezember des vergangenen Jahres. Was folgte, waren Versuche an fünf Teilen, die für das Einfahren des Werkzeugs kurzfristig bereitgestellt worden waren.
Siegfried Koll, bei Ceratizit Deutschland für die technische Beratung und den Verkauf verantwortlich: »Bei den ersten drei haben wir noch mit dem Vorschub und der Drehzahl gespielt. Wir haben auch die Innenkühlung auf eine zentrale Bohrung umgebaut, um mehr Emulsion durchzubringen. Die beiden letzten Teile fielen dann schon i. O. von der Maschine.«
Angefangen hatten er und Bojan Stevanovic, Maschinenbediener bei Berger, sowie Denis Osmic, Anwendungstechniker bei Ceratizit Deutschland, mit dem Durchmesser 70 mm und der Nutzlänge 720 mm. Nachdem hier in St52 erst ein Fließspan auftrat, konnten sie schnell kurze Späne erzeugen. Fertig war die Bohrung in 0,74 min – der Wettbewerber hatte, ohne dass die Qualität stimmte, 5 min gebraucht. »Im zweiten Schritt haben wir ein Ausgleichsfutter eingesetzt, weil wir im Anschnittbereich leicht im Minus waren«, geht Osmic auf die nun folgende Optimierung ein. »So konnten wir die kleineren Ungenauigkeiten beim Einfädeln beseitigen und auch den vorderen Bereich in hoher Güte fertigen.«

Die Reibahle lässt sich handhaben ohne großen Einstellaufwand

»Letztlich haben wir auf diese Weise nicht einfach ein Werkzeug für das Reiben der Hydraulikkolben geliefert, sondern eine Anbindung«, zieht Siegfried Koll ein erstes Resümee. Das Reibwerkzeug ist dafür komplett aus Standardkomponenten aufgebaut. Ein Aufbau, beginnend mit einem DAH-Ausgleichshalter HSK A100, der die nötige Rundlaufgenauigkeit an der Schneide garantiert. »Im vorliegenden Fall haben wir diesen Rundlauf auf 5 µm eingestellt«, so Denis Osmic. Im Werkzeugaufbau folgen dann ein Adapter für den DAH-Halter, ein Dämpfungselement sowie vier Segmente in Leichtbau, damit das Werkzeug nicht zu schwer wird. Abgerundet wird das Konzept vom WSP-bestückten H7-Reibkopf Freemax.
Verfügbar ist die Reibahle ab Lager in zwei Ausführungen: mit DAH-Ausgleichshalter und mit ABS-Schnittstelle. Zugleich werden die Werkzeuge standardmäßig in Abstufungen von 5 und 10 mm angeboten. Muss der Anwender klassischer WSP-Reibahlen jeder Platte einen definierten Sitz zuteilen, kann er die präzisionsgeschliffenen, dreischneidigen Platten der Komet-Freemax in beliebiger Reihenfolge montieren. Easy-to-use nennt Ceratizit dieses Handling ohne großen Einstellaufwand. Die Möglichkeit des eindeutigen Zuordnens der bezifferten Schneidkanten verhindert Fehlbestückungen; zugleich sinkt der logistische Aufwand. Ist etwa eine Neubestückung erforderlich, muss das Werkzeug nicht eingeschickt werden. Auch die Lagerhaltung entfällt, weil die georderte Platte innerhalb von 24 Stunden beim Anwender eintrifft.
Die tangential eingebaute Platte ist hoch stabil, zurückzuführen im Wesentlichen auf drei Anlagepunkte und eine Anlagefläche am Ring. Die Schraube ist außermittig so gesetzt, dass an alle Anlagen gedrückt wird. Zum einfachen Handling kommt damit für den Anwender der sichere Sitz hinzu.
Ausgelegt sind die Platten in beschichtetem Hartmetall oder Cermet, sodass Anwender wie Berger alle Werkstoffgruppen nach ISO-Norm bearbeiten können. Die DBG-P-Beschichtung ist für abrasive Werkstoffe wie Guss bis hin zu gehärteten Stählen konzipiert.
Um den Span sicher nach hinten abzuführen, hat die in Mondsee verwendete Standardgeometrie ASG 3000 einen 45°-Anschnitt. Die Innenkühlung der Freemax erfolgt üblicherweise seitlich auf die Schneiden. Als Option lässt sich kurzfristig – das hat der Umbau bei Berger gezeigt – eine zentrale Lösung umsetzen. So hat man im vorliegenden Fall die seitlichen Kanäle bestehen lassen, um über die Kühlung der Schneiden zusätzlich an Standzeit zu gewinnen. Gearbeitet wird mit Emulsion bei einem Druck von 80 bar.
Nachdem man bei Karl Berger die Fertigung der kleineren Hydraulikkolben im Griff hatte, ging man schnell zu den großen Teilen über. Das Ergebnis: Inzwischen verlassen auch diese zuverlässig und in hoher Qualität die Maschine. Auf dem Weg dorthin optimierten Berger und Ceratizit noch das Werkzeugmagazin dahingehend, dass sich die Reibahlen aufnehmen und selbsttätig einwechseln lassen.

Gemessen wird heute nur noch in größeren Zeitabständen

Dass die Komplettbearbeitung heute in der geforderten Güte prozesssicher umgesetzt ist, zeigt sich auch daran, dass die Kolben jetzt nur noch in größeren Zeitabständen gemessen werden. »Am Anfang haben wir das bei jeder Bohrung hundert Mal getan«, schmunzelt Geschäftsführer Karl Berger. »Heute sind wir sicher, dass alles passt.« Aktuell wird dafür nach dem Bohren mit der Freemax 8 mm ›eingefädelt‹, wobei sich die Werkstückspindel mit 20 min-1 und die Werkzeugspindel bei fU 1,1 mm mit 40 min-1 dreht.
Mit der gleichen Drehzahl arbeitet die Werkstückspindel auch beim Reiben der Bohrung, während die Werkzeugspindel mit 500 min-1 und 2,2 mm Vorschub läuft. Die so mittels Reiben erzielbare Qualität verdeutlichen die Kennwerte Durchmesser 80,03 mm, Ra 0,442 µm und Rz1max 5,428 µm. Das Fazit lautet folglich: Knackpunkte beseitigt, Rauheitsvorgaben auf die Hälfte gedrückt – der Reibprozess läuft.