Verzahnungsschleifen

Für effiziente, leise Getriebe

Mit dem Übergang vom Verbrennungsmotor zu hochdrehenden Elektroantrieben wird der Wunsch nach effizienten und leisen Getrieben drängender. Präzision spielt hier die zentrale Rolle für den Erfolg. Erreichbar ist sie mit aktuellen Varianten des Verzahnungsschleifens.
25. April 2025
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Ein nicht nur sichtbarer Unterschied: Geschliffene (links) und polierte Zahnflanke (rechts) im direkten Vergleich© Reishauer
von Maximilian Zimmer
Getriebe bilden den unauffälligsten Teil des Antriebs – nicht nur im Automobilbau. Die vielen Innovationen im Getriebebau in den letzten Jahrzehnten lassen unsere Fahrzeuggetriebe immer komfortabler arbeiten und im besten Fall von den Insassen gänzlich unbemerkt bleiben. Immer weniger Verlustleistung und ein immer besseres Geräuschanregungsverhalten (NVH – Noise, Vibration, Harshness/Geräuschentwicklung, Vibrationen, Rauheit) der verbauten Verzahnungen sorgen für einen geringeren Verbrauch und eine verbesserte Laufruhe.
Bereits im Jahr 2012 stellte der Schweizer Spezialist für die Bearbeitung von Verzahnungen Reishauer mit dem großserientauglichen Polierschleifverfahren eine Technologie zur Verfügung, mit der im Anschluss an die herkömmliche Hartfeinbearbeitung der Verzahnung in einem zusätzlichen Bearbeitungsschritt die Oberfläche der Zahnflanken geglättet wird, ohne dass der Bearbeitungsprozess unterbrochen wird.
Die herkömmliche Hartfeinbearbeitung mit dem hochproduktiven kontinuierlichen Wälzschleifen hat das Ziel, eine möglichst abweichungsfreie Verzahnungsgeometrie in sehr kurzen Bearbeitungszeiten zu erreichen. Der unmittelbar anschließende Bearbeitungsschritt Polierschleifen verändert die geschliffene Verzahnungsgeometrie nicht mehr und entfernt lediglich die Rauheitsspitzen. Die verbleibenden Rauheitsriefen dienen der Verteilung des Getriebeöls zwischen den im Eingriff befindlichen Zahnrädern.

Glattere Oberflächen bedeuten weniger Reibung im Getriebe

Die Idee dahinter ist einfach: Polierte Zahnflanken reduzieren die Reibung im Zahnkontakt und ermöglichen damit den Einsatz von geringer-viskosen Getriebeölen. Das verringert die Verlustleistung im Getriebe und verlängert die Lebensdauer der Zahnräder. Mit dem Polierschleifen wird zusätzlich die Tragfähigkeit der Zahnflanken erhöht. Daraus resultiert eine Steigerung der Leistungsdichte der Getriebe und somit die Möglichkeit, kompaktere und leichtere Getriebe einzusetzen.
Das von Reishauer bereits im Jahr 1945 erstmals vorgestellte kontinuierliche Wälzschleifen ist das produktivste Bearbeitungsverfahren für die Hartfeinbearbeitung von hochgenauen Verzahnungen. Das kontinuierliche Wälzschleifen bearbeitet die Zahnflanken mit der Kinematik einer Schraubwälzpaarung, bei dem die kontinuierliche Drehbewegung einer Schleifschnecke mit der Drehbewegung des Werkstücks gekoppelt wird. Über die Schleifschneckensteigung ergibt sich die für die Abwälzbewegung erforderliche Längsbewegung des zahnstangenförmigen Bezugsprofils der Schleifschnecke.
Das Oberflächenprofil einer Standard-Schleifschnecke (links) und das geglättete Oberflächenprofil nach dem Polierschleifen (rechts) mit unbearbeiteten Oberflächentälern, um darin das Schmiermittel zu halten. Illustrative Darstellung© Reishauer
Im Mittelpunkt der aktuellen Entwicklung beim Verfahren der Hartfeinbearbeitung von Verzahnungen steht die Übertragung spezieller Funktionseigenschaften auf die Zahnflanken während der Endbearbeitung. Das umfasst zum Beispiel die gezielte Veränderung der Oberflächenrauheit, die Beeinflussung des NVH-Verhaltens oder die Modifikation der Zahnflankentopografie.
Das Polierschleifen wurde als eine Erweiterung des kontinuierlichen Wälzschleifens entwickelt und erfordert einen minimalen Investitionsaufwand. Sowohl die Schleifmaschine und die Spannwerkzeuge als auch die verwendeten Diamantabrichtwerkzeuge können unverändert genutzt werden. Im Unterschied zum herkömmlichen Verzahnungsschleifen werden für das Polierschleifen lediglich neu entwickelte Schleifwerkzeuge verwendet.
Die Satzschleifschnecken sind in zwei Bereiche unterteilt. Im Bereich für die herkömmliche Wälzschleifbearbeitung mit einer Schrupp- und einer Schlicht-Bearbeitungsstufe wird meist Korund in keramischer Bindung verwendet, wohingegen für die anschließende Polierbearbeitung der Bereich mit einem feineren Edelkorund in einer elastischen Bindung genutzt wird. Während des Bearbeitungsprozesses wird die Schleifschnecke durch die Maschinenachsen axial verschoben, um die verschiedenen Bereiche der Schleifschnecke korrekt in den Eingriff zu bringen. Die verringerte Ausbringung aufgrund der beiden Bereiche auf der Schleifschnecke wird von den klaren funktionalen Vorteilen des Polierschleifens in vollem Umfang aufgewogen.

Das Polierschleifen hat sich schnell in der Getriebefertigung etabliert

Das von Reishauer entwickelte Verfahren des Polierschleifens von Verzahnungen hat sich in kurzer Zeit in der Getriebefertigung etabliert. Speziell die deutlich höheren Qualitätsanforderungen an Getriebe für den Einsatz in der E-Mobilität, bei denen üblicherweise sehr viel höhere Eingangsdrehzahlen vorliegen, haben zu einer breiten Anwendung des Verfahrens geführt. Unter diesen Randbedingungen werden die Vorteile von poliergeschliffenen Verzahnungen besonders wirksam. Sowohl die mögliche Reduktion des Gesamtgewichts der Getriebe durch die höhere Tragfähigkeit poliergeschliffener Verzahnungen als auch die reduzierte Verlustleistung aufgrund der geringeren Rauheit im Zahnkontakt durch den möglichen Einsatz niedrig-viskoser Getriebeöle können maßgeblich zur Verlängerung der Reichweite von E-Fahrzeugen beitragen.
Kombinierte Schleif- und Polierschnecke. Der rosafarbene Schrupp- und Schlichtbereich besteht hier aus keramikgebundenem Korund der Körnung 120; der blaue, kunstharzgebundene Polierbereich hat eine deutlich feinere Körnung von 800© Reishauer
Aufgrund der hohen Eingangsdrehzahlen besteht die Tendenz, dass Getriebegeräusche mit hoher Frequenz entstehen, die wegen der fehlenden Maskierung durch den Verbrennungsmotor schnell als unangenehm wahrgenommen werden. Daher hat das Geräuschverhalten von geschliffenen Verzahnungen eine zunehmende Bedeutung erlangt. Es konnte gezeigt werden, dass polierte Zahnflanken zu einer Verringerung der Geräuschanregung im Getriebe führen können.

Alle Komponenten des Prozesses sind aufeinander abzustimmen

Die deutlich höheren Qualitätsanforderungen an Getriebe für den Einsatz in der Elektro-Mobilität erforderten eine optimale Abstimmung aller am Fertigungsprozess beteiligten Komponenten. Das Unternehmen Reishauer hat mit seinem Leistungssystem ‘Circle of Competence‘ die Möglichkeit, sämtliche Komponenten wie Schleifmaschine und Spannmittel sowie Schleif- und Abrichtwerkzeuge für eine Bearbeitungsaufgabe gezielt aufeinander abzustimmen.
Als Teil des Leitsystems unterstützt das Reishauer-Application-Engineering die Anwender bei der Optimierung der Bearbeitungstechnologie ebenso wie das von Reishauer entwickelte KI-unterstützte Monitoring System ‘Argus‘, das nach seiner Einführung in die Serienproduktion bereits einen Datensatz von über 40 Millionen geschliffenen Verzahnungen umfasst. Dieses Zusammenwirken gilt als der Schlüssel, um eine prozesssichere Fertigung hochgenauer Verzahnungen gewährleisten zu können.
Information & Service

Hersteller

Reishauer AG
CH-8304 Wallisellen
Tel. +41 44 8322211
www.reishauer.com

Autor

Dr. Maximilian Zimmer ist CTO bei Reishauer in Wallisellen/Schweiz
maximilian.zimmer@reishauer.com