Fräswerkzeuge

Einfach besser fräsen

Beim Bemühen, die hohen Anforderungen an die Oberflächenqualität und die Maßhaltigkeit eines Werkstücks mit hohem Kosten- und Zeitdruck in Einklang zu bringen, spielt die Wahl des richtigen Fräswerkzeugs eine zentrale Rolle. Aber auch der Prozess muss stimmen.
6. November 2024
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In puncto rundlaufende Wendeplattenwerkzeuge zum Fräsen kann die Walter Deutschland GmbH eine umfangreiche Expertise vorweisen. Doch erst in einem optimierten Prozess spielen die Fräser ihre Stärken voll aus© Walter AG
von Peter Kalenbach
Fräsprozesse spielen in der Metallbearbeitung eine zentrale Rolle, besonders dann, wenn es um die Herstellung von Werkstücken und Bauteilen geht, bei denen Oberflächengüte und Maße sehr präzise erreicht werden müssen. Das Verfahren umfasst sehr viele Anwendungsbereiche: vom Bearbeiten großer Freiformflächen im Werkzeug- und Formenbau und in der Fertigung von Komponenten für die Energieerzeugung bis hin zur automatisierten Massenfertigung. Was vielen dieser Anwendungen gemeinsam ist: der wachsende Kostendruck.
Zerspaner müssen hohe Anforderungen an die Oberflächenqualität und die Maßhaltigkeit eines Werkstücks mit hohem Kosten- und Zeitdruck in Einklang bringen. Die Wahl des richtigen Fräswerkzeugs spielt hier eine zentrale Rolle. Aber um die Leistungsstärke eines Wendeplattenfräsers voll nutzen zu können, muss auch der Prozess stimmen. Gerade im Bereich grundlegender Prozessparameter können sich Fehler einschleichen, die Effizienz und Sicherheit des Prozesses negativ beeinflussen.
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Die Wahl der richtigen Fräserposition ist abhängig vom Eintrittskontakt der Schneidkante mit dem Werkstück© Walter AG

Es ist erforderlich, den Prozess ganzheitlich zu analysieren

Laufen Prozesse stabil und stimmen die Ergebnisse wirtschaftlich, schaut sich normalerweise niemand im Unternehmen die einzelnen Prozessschritte oder -parameter genauer an. Sie rücken erst ins Zentrum des Interesses, wenn zum Beispiel der Output sinkt, sich die Oberflächenqualität oder die Maßhaltigkeit verschlechtert oder wenn der Preisdruck steigt. Oft wird dann versucht, durch punktuelle Veränderungen, zum Beispiel durch Änderungen bei den Schnittwerten oder durch den Wechsel des Werkzeugs das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Das kann funktionieren oder zumindest das akute Problem im Produktionsprozess lösen. Nachhaltige Optimierungserfolge sind aber eher mit einer ganzheitlichen Prozessbetrachtung erzielbar. Die zentralen Fragen dabei sind:
  • Welcher Werkstoff wird bearbeitet, und welche Werkstoffeigenschaften haben einen wichtigen Einfluss?
  • Wie hoch ist die Zugfestigkeit des Werkstoffs?
  • Wie sind die Bearbeitungsbedingungen zu beurteilen? Ausschlaggebend sind hier vor allem die Bauteilspannung und die Auskraglänge des Werkzeugs. Sie beeinflussen, ob und wie stark der Fräser bei der Bearbeitung vibriert, was wiederum die Oberflächenqualität der zu bearbeitenden Fläche oder die Standzeit des Fräsers beeinflusst.
  • Welches Ziel hat die Prozessoptimierung? Soll die Bearbeitungszeit pro Werkstück reduziert oder der Standweg gesteigert werden? Oder soll die Prozesssicherheit verbessert werden?
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Möglicher Schnittgeschwindigkeitsfaktor in Bezug auf das Verhältnis von Eingriff zu Werkzeugdurchmesser beim Fräsen am Beispiel ISO P (Stahlwerkstoffe)© Walter AG

Den Zahnvorschub anpassen

Der Zahnvorschub hängt von den Eigenschaften des zu bearbeitenden Werkstoffs und denen des Fräswerkzeugs ab. Üblicherweise geben Hersteller hier jeweils den optimalen Bereich an. Viele Anwender ‘fahren‘ mit einem relativ niedrigen Zahnvorschub. Meistens besteht aber ein gewisser Spielraum, den Zahnvorschub zu erhöhen, wodurch sich die Zahl der je Werkzeug gefertigten Werkstücke erhöhen kann, da der Fräser effektiv einen kürzeren Weg auf der gefrästen Fläche zurücklegt. Ob und wie der Zahnvorschub erhöht werden kann, hängt von Bedingungen wie dem Einstellwinkel, dem Eingriffsverhältnis des Werkzeugs, der Auskraglänge des Werkzeugs, der Bauteilspannung und dem Werkstoff ab.
Wichtig ist Folgendes: Passt die erzeugte Spanungsdicke (h) zur Werkzeuggeometrie und zum Werkstoff? Eine zu geringe Spanungsdicke beeinflusst den Verschleiß und die Standzeit der Wendeschneidplatten negativ. Eine zu hohe Spanungsdicke führt dagegen zum Schneidenbruch.

Schnittgeschwindigkeit korreliert mit dem Verschleißverhalten

Wohl der wichtigste verschleißfördernde Faktor beim Fräsen ist die ständige thermische Wechselbelastung der Wendeschneidplatten, wenn der Fräser in den Eingriff geht und wieder austritt. Der Wechsel von Wärmebildung zu Abkühlung führt zu Rissen entlang der Schneidkante. In der Folge entstehen Ausbrüche an der Schneidkante, deren Ursache in der Rissbildung liegt. Die Ausbrüche können aber auch falsch interpretiert werden, da sie zum Beispiel auf einen zu verschleißfesten Schneidstoff geschoben werden.
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Die Festlegung der richtigen Frässtrategie beeinflusst sowohl die Lebensdauer der Schneidkante als auch die Bearbeitungszeit© Walter AG
Vor allem bei kleinen Eingriffsverhältnissen spielt deswegen die Wahl der Schnittgeschwindigkeit (vc) eine große Rolle. Ist das Eingriffsverhältnis beim Fräsen klein, das heißt es wird nur mit einem sehr kleinen radialen Eingriff (ae) gearbeitet, dann ist vc zu erhöhen, um die thermische Wechselwirkung zu reduzieren. Das wiederum reduziert die Rissbildung an der Schneidkante und verhindert einen zu frühen Werkzeugverschleiß. Als Richtschnur lässt sich in der Praxis folgende Grundregel anwenden: vc erhöhen bei kleinem Verhältnis ae zum Fräserdurchmesser Dc.
Die richtige Wahl der Fräserposition hängt ab vom Eintrittskontakt der Schneidkante mit dem Werkstück. Dieser lässt sich beeinflussen, indem der Werker eine bestimmte Fräsbreite (ae) zum Fräserdurchmesser (Dc) festlegt. Sollte die Fräsbreite die Hälfte von Dc betragen, trifft die Schneidkante auf das Werkstück mit der maximal möglichen Spanungsdicke. Der Eintrittskontakt kommt einem Aufprall gleich. Die Schneidkante wird dadurch stark belastet, was dann schnell zum Schneidbruch führen kann. Von Vorteil ist ein Verhältnis ae > 2/3 Dc oder ae < 1/3 Dc.

Die richtige Frässtrategie wählen

Ist die zu bearbeitende Fläche beim Planfräsen größer als der verwendete Dc, ist die beste Strategie zum Flächenfräsen das Spanen in mehreren Bahnen mit spiralförmiger Bewegung von außen nach innen. Diese Strategie ergibt nur einen Eintritt des Fräsers in das Werkstück. Dabei ist der Fräser immer unter Druck, wenn sich die Schnittrichtung in einer Radiusbewegung ändert. Es gibt dann nur einen Austritt.
Der Radius in den Ecken und beim Eintritt sollte etwa ¼ bis ½ von Dc betragen. Erreicht wird so eine gleichmäßige Belastung des Fräsers durch die Vermeidung ständiger Ein- und Austritte, die zum Beispiel beim monodirektionalen Zeilenfräsen entstehen. Im Vergleich zu Letzterem wird mit dieser Spiralstrategie in der Regel auch eine Bearbeitungszeit-Ersparnis von mindestens 30 Prozent erreicht, ohne dass die Parameter geändert werden müssen.
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Das Gleichlauffräsen sollte beim Fräsen mit Wendeschneidplatten-Werkzeugen mit nur wenigen Ausnahmen immer die erste Wahl sein© Walter AG
Dabei bestimmt die Fräserposition beim Eintritt in das Werkstück sowohl die Spanbildung als auch die Standzeit des Werkzeugs. Die Eintritte und die Austritte sind am empfindlichsten und reduzieren die Fräserstandzeit unter Umständen deutlich. Um die Standzeit so weit wie möglich zu verlängern, sollte stets die Eintrittsoperation in einer Viertelkreis-Bewegung erfolgen.
Durch einen ‘Roll-in‘-Eintritt mit Viertelkreis-Radius im Gleichlauffräsen kann der negative Effekt des Eintritts reduziert werden. Dabei ist der Roll-in-Eintritt abhängig von der Oberfläche des Werkstücks. Ist diese Oberfläche weich, so sollte der Roll-in im Gleichlauf erfolgen. Ist die Oberfläche des Werkstücks hart, so ist der Roll-in im Gegenlauf die bessere Wahl und günstiger für die Standzeit des Werkzeugs.
Ist das Spiralisieren nicht möglich, weil die zu bearbeitende Fläche kleiner als Dc ist, sollte die Fräserposition mittig versetzt gewählt werden. Mit diesem Vorgehen kann man einen überwiegenden Gleichlauf im Prozess sicherstellen.

Gleichlauf- oder Gegenlauffräsen – das ist oft die Frage

Das Gleichlauffräsen stellt bei vielen Anwendungen die beste Frässtrategie dar. Beim Eintritt des Fräsers ist der Spanungsquerschnitt maximal. Dieser nimmt vom Beginn des Schneideneintritts ab. Dadurch wird vermieden, dass die Schneidkante beim Eintritt in die Werkstückoberfläche reibt. Beim Gleichlauffräsen wirken die Schnittkräfte in Richtung der Spanvorrichtung und damit auf den Maschinentisch.
Beim Gegenlauffräsen gleitet die Schneidkante anfangs auf der Oberfläche. Die Schneide tritt mit der Spanungsdicke h = 0 in das Werkstück ein. Damit kann die Schneide noch nicht schneiden. Sie gleitet solange über den Werkstoff, bis sich ein genügend großer Druck aufgebaut hat. Dann dringt die Schneide ruckartig ein. Weil das Werkzeug weggedrückt wird, wirken an ihm höhere radiale Kräfte, und die Schnittbewegung startet in einer Art Wellenlinie. Resultat ist eine schlechtere Oberflächengüte. Die durch das Gleiten auf der Oberfläche erzeugte Reibungswärme erhöht zusätzlich den Schneidkantenverschleiß. Beim Gegenlauffräsen versuchen die Schnittkräfte, das Teil aus der Spannvorrichtung zu heben.
Es gibt aber auch Anwendungsfälle, in denen Gegenlauffräsen das bessere Verfahren ist. Dazu gehört die Bearbeitung von Teilen mit hartem Rand, das Bearbeiten von dünnen, stark vibrierenden Teilen oder wenn das Werkzeug selbst lang auskragt. Im Endeffekt entscheidet dann doch der Zerspaner mit seinem Wissen und seiner Erfahrung.
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Hersteller

Walter AG
72072 Tübingen
Tel. +49 7071 701–0
www.walter-tools.com

Autor

Peter Kalenbach ist Produktmanager Rundlaufende Wendeplattenwerkzeuge bei der Walter Deutschland GmbH in Tübingen.
peter.kalenbach@walter-tools.com