PLUSToolmanagement

Digital zum Optimum

Welche Effekte sich für Mittelständler ergeben, wenn sie digitale Technik und klassische Wendeschneidplatten-Optimierung verbinden, zeigt der CNC-Fertiger Schmauser + Müller Metalltechnik. Er steigerte mithilfe von BIG Kaiser Prozesssicherheit und Effizienz deutlich
7. September 2020
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1 Erzielten Erfolge mit ihrer Offenheit für ein digitales Toolmanagement (von links) : Rainer Maurer (SM Metalltechnik), Alexander Hartl (BIG Kaiser) und Dennis Heil (SM)© BIG Kaiser
Schmauser + Müller Metalltechnik ist ein CNC-Fertigungsbetrieb im bayerischen Pollenfeld-Preith nahe Ingolstadt, der auf Einzelteile und Kleinserien spezialisiert ist und zu dessen Leistungsportfolio ein Vorrichtungsbau, die Metalltechnik und die CAD-Konstruktion gehören. »Natürlich gehören auch Automobilhersteller zu unseren Kunden«, erklärt Fertigungsleiter Rainer Maurer. »Wir wollen unseren Kundenstamm jedoch bewusst divers halten, um so die auf Branchen beschränkten Schwankungen auszugleichen.« Mit Präzisionswerkzeugen von BIG Kaiser habe man den Bereich Feinbohren auf zwei Ebenen optimiert.

Digitaler Zwilling als erstes Projekt

»Unser erstes Projekt war der sogenannte Digital Twin, der digitale Zwilling«, berichtet Rainer Maurer. »Durch ihn bekommt der Anwender schon vor Prozessbeginn Gewissheit über den Erfolg. Gerade bei Einzelteilen ist dies sinnvoll, da dort noch keine Erfahrungswerte vorliegen.«
Die Basis dafür bildet hier die CAM-Software HSM Works von Autodesk, mit der von allen Komponenten ein digitaler Zwilling erstellt wird – zum einen von der 5-Achs-Simultanfräsmaschine C42 von Hermle mit der Automation HS-Flex, zum anderen von den Spannmitteln von SMW Autoblok. Zudem werden die Werkzeuge digital nachgebildet, darunter die Feinbohrköpfe mit einstellbaren Auskraglängen und Durchmesserwerten. Aber auch Details wie das Blum-Lasermesssystem sind wichtig. Sind alle Komponenten abgebildet, kann am PC der optimale Programmablauf simuliert werden.
»Ein professioneller Prozess muss zuverlässig ablaufen, schon beim ersten Mal«, sagt Rainer Maurer. »Ein Kollege hat mich damals darauf gebracht, den Digital Twin einzuführen. Jetzt lassen wir nach der Programmerstellung die Teile durch die Automation laufen und sind zuversichtlich, was die Ergebnisse angeht. Das ist die ideale Ergänzung zu unserem modernen Maschinenpark. Und das Beste: Alles, was wir brauchen, hatten wir schon im Haus.«
Bisher sei es an Kleinigkeiten gescheitert, die jedoch eine wichtige Rolle spielten. »Uns fehlten beispielsweise die Werkzeugdaten. Sind sie in ihrer Komplexität ungenau, ist auch das Ergebnis nicht vorhersagbar. Schließlich hat jede Verlängerungskombination einen anderen digitalen Zwilling. BIG Kaiser hat uns die benötigten Daten in allen relevanten Längen und Durchmesserkombinationen bereitgestellt.«
2 Auf einen Blick: Mit diesen elf Wendeschneidplatten deckt SM Metalltechnik die ganze Vielfalt der Anwendungsfälle in vollem Umfang ab© BIG Kaiser

Nur elf Wendeschneidplatten decken das Anforderungsspektrum ab

Doch nicht nur die Digitalisierung trug bei SM Metalltechnik zu den Feinbohr-Erfolgen bei, sondern auch die richtigen Wendeschneidplatten. »Dadurch, dass wir früher viele verschiedene Schneidstoffe genutzt haben, war unklar, welcher sich bei einem speziellen Projekt am besten eignet«, erinnert sich Rainer Maurer. »Als Folge sind Wendeplatten gebrochen, und die Ergebnisse waren nicht zufriedenstellend. Die Mitarbeiter haben Feinbohrarbeiten deshalb nur ungern übernommen. Nun ist alles anders. Wir haben insgesamt elf Platten im Haus, mehr nicht. Jede davon hat ihren klar definierten Zweck.«
Alexander Hartl, Anwendungstechniker bei BIG Kaiser: »Ich habe die Anforderungen mit Rainer Maurer durchgesprochen und analysiert. Schlussendlich konnte ich elf Wendeschneidplatten identifizieren, mit denen wir alle Material- und Durchmesserkombinationen abdecken können.« Rainer Maurer fügt hinzu: »Die Einstellung der Mitarbeiter zum Feinbohren hat sich dadurch deutlich gebessert; sie haben inzwischen Vertrauen in den Prozess. Nun messen sie vor der Endkontrolle nicht einmal mehr nach. Unsere hochmoderne, automatisierte Bearbeitung kann durchlaufen, die Maßhaltigkeit ist konstant, und die Oberflächen sind perfekt. Kurzum: Durch den verbesserten Prozess schöpfen wir das volle Potenzial unserer Maschinen aus.«
Wie der Fertigungsleiter betont, habe die Praxis gezeigt, dass sich die meisten Betriebe auf Schnittdaten verlassen, die irgendwann mal jemand getestet hat. Maurer: »Meist fragt der Lehrling seinen Meister, was er eingeben soll, und der hat etwas im Kopf, das schon mal funktioniert hat. Diese Werte geistern dann über Jahre durch das Unternehmen. So wird nicht nur Potenzial verschenkt, es wirkt sich auch negativ auf die Bearbeitungsgeschwindigkeit, die Qualität der Ergebnisse und die Standzeit aus. Damit ist jetzt Schluss.«
In der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von BIG Kaiser hat man die optimalen Schnittwerte ermittelt, um dem Kunden die Arbeit abzunehmen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Standzeit der Wendeschneidplatten.
Aufgrund der vielen Einflussgrößen erwiesen sich die Praxis-Tests als sehr umfangreich. Jeder Durchmesser, jeder Werkstoff und jede Auskraglänge haben einen Einfluss auf das Ergebnis. Dasselbe gilt für die verschiedenen Spindeltypen. Die Ergebnisse solcher Tests stellt BIG Kaiser dem Anwender per App zur Verfügung, sodass dieser sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren kann.
Rainer Maurer beschreibt den Feinbohrprozess im Zusammenspiel mit der CAM-Programmierung folgendermaßen: »In der App geben wir die gewünschten Parameter ein, zum Beispiel Bohrungsdurchmesser, Material und Auskraglänge. Die App gibt uns an, welches unserer BIG-Kaiser-Werkzeuge mit welcher Wendeschneidplatte ausgestattet werden soll, welche Verlängerungen benötigt werden und welche Schnittdaten einzustellen sind. Dann wählen wir den digitalen Werkzeugzwilling am CAM-Arbeitsplatz aus und programmieren die Schnittwerte – fertig.«
3 Nach Eingabe von Parametern wie Bohrungsdurchmesser, Werkstoff oder Auskrag- länge gibt die App von BIG Kaiser unter anderem an, welches Tool mit welcher Platte ausgestattet werden soll und welche Schnittdaten einzustellen sind© BIG Kaiser

Die App gibt Auskunft über Werkzeuge und Schnittdaten

Bei all dem werde immer der optimale Schnittwert ausgewählt. Der Bediener müsse nicht mehr mit verschiedenen Werten experimentieren, sondern könne sich auf die Ergebnisse aus der App verlassen. »Das vereinfacht den Prozess enorm«, so Fertigungsleiter Maurer. »Wie stark sich die Standzeit genau verbessert hat, wissen wir nicht. Unsere Prozesse waren vorher einfach nicht konstant genug, um darüber Aussagen zu treffen. Mittlerweile ist die Standzeit konstant und wir vermuten dreimal so hoch. Viel wichtiger ist jedoch: Wir tauschen Wendeschneidplatten nach einer vorher definierten Einsatzzeit aus, anstatt abzuwarten, bis es nicht mehr passt und erst zu wechseln, wenn etwas schiefgelaufen ist.«
BIG Kaiser investiert jährlich hunderte Stunden in die Entwicklung und in Tests von neuen Wendeschneidplatten mit dem Fokus Feinbohren. Die Inhouse-Optimierung eigener Feinbohrköpfe ermöglicht dem Hersteller zufolge besonders exakte Ergebnisse. Das Unternehmen hat wichtige Details patentiert, beispielsweise die optimierte Spanleitstufe, die den Spanabtrag und damit die Oberflächenqualität der fertigen Bohrung optimiert.
Den Feinbohrfokus versteht BIG Kaiser als Alleinstellungsmerkmal. Bei anderen Herstellern werde jeweils für einen bestimmten Einsatzzweck eine spezielle Platte angefertigt. Diese funktioniere für genau diesen Zweck gut; die Performance verschlechtere sich aber deutlich, sobald sich die Rahmenbedingungen auch nur geringfügig ändern.
Für Firmen wie SM Metalltechnik wäre das ungünstig, weil dort Kleinserien oder Einzelteile gefertigt werden und sich somit eine Vielzahl von Bohrungen und Werkstoffen ergibt. Entsprechend bräuchte das Unternehmen mehr als hundert verschiedene Wendeschneidplatten, um bestmöglich zu fertigen.
Wie man bei BIG Kaiser betont, ist dieses Vorgehen nicht praxistauglich und überfordert den Anwender, weil er die Platten nicht nur vorrätig haben, sondern sie zur richtigen Zeit mit den richtigen Schnittdaten einsetzen muss. Zwar funktionierten andere Platten oft auch, allerdings deutlich schlechter.
4 Eine größtmögliche Übersichtlichkeit war die zentrale Maßgabe bei der Gestaltung der App, hier der Screen zum Einstellen optimaler Kennwerte© BIG Kaiser

Optimierter Schneidplatten-Pool steigert die Fertigungstransparenz

Nach eigenem Bekunden will BIG Kaiser mit dem beschriebenen Konzept solch ein Szenario vermeiden. Statt einer zu großen Spezialisierung, die das Ergebnis nur minimal verbessert, sei ein Allrounder geschaffen worden, der in der Praxis ausgezeichnete Ergebnisse liefert. So sei prozesssicheres, effizientes und präzises Arbeiten möglich.
Die neuen Prozesse beim Feinbohren überzeugten jedenfalls bei SM Metalltechnik auf ganzer Linie. Das Unternehmen sieht sich als Profiteur des umfassenden Know-hows eines Werkzeugspezialisten, das sich ganz praktisch im fertigungstechnischen Alltag umsetzen lässt. Mit ihm ist SM Metalltechnik für die Zukunft gut aufgestellt.
Information & Service
Anwender
Schmauser + Müller Metalltechnik GmbH 85131 Pollenfeld-Preith Tel. +49 8421 9366-10 www.sm-metalltechnik.de
Hersteller
BIG Kaiser GmbH 72189 Vöhringen Tel. +49 7454 960336-0 www.bigkaiser.com